Vom Sinn des Tischgebets

Morgenandacht
Vom Sinn des Tischgebets
03.08.2021 - 06:35
29.07.2021
Lucie Panzer
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„Es war einmal ein Krokodil“ so fängt der Spruch an, den Matthis im Kindergarten gelernt hat. Sie sagen das dort vor dem Essen alle zusammen, damit alle dann auch miteinander anfangen. Finde ich gut. So geht der Spruch weiter: „Es war einmal ein Krokodil, das fraß und fraß und fraß so viel, es schlürfte und schmatzte, bis es endlich platzte!“ Dann klatschen sie alle laut in die Hände und sagen „Guten Appetit“. Dann geht’s los, am liebsten Spaghetti mit Tomatensoße.

Ich finde das gut, dass sie lernen, beim Essen zusammen anzufangen. Und weil Matthis das im Kindergarten gelernt hat, machen sie es zu Hause auch so. Aber manchmal sagt er: „Ich will beten“. Meistens fällt ihm das ein, wenn die Oma zu Besuch ist. Dann wird gebetet: „Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümchen trinkt von dir, du hast auch uns heut nicht vergessen, lieber Gott, wir danken dir.“

Ich finde das gut, dass Matthis beides lernt. Erstens: Wir fangen zusammen an. Erst dann, wenn alle am Tisch sitzen, auch Mutter und Vater, die gekocht und alles hergerichtet haben. Auch der kleine Bruder, den man vielleicht erst noch trösten muss, weil er sich gerade weh getan hat. Erst kommt der Tischspruch und dann fängt man an. Dann ist meistens auch der kleine Bruder schon wieder froh.

Ich finde zweitens auch gut, dass seine Eltern das ernst nehmen, wenn Matthis vorschlägt zu beten. Auch, wenn sie vielleicht sonst nicht beten. Und vor allem finde ich gut, dass er danken lernt. Er lernt nicht, ich will dies und ich möchte das. Matthis lernt danken. Dass er froh sein kann, dass es genug zu essen gibt. Und dass das nicht selbstverständlich ist.

Natürlich weiß ich, dass es auch andere Erfahrungen gibt. Längst nicht alle Kinder haben genug zu essen. Kinder verhungern, auch heute noch, obwohl man es verhindern könnte. Unsere Welt könnte sie ernähren. Aber wir Erwachsenen sind nicht in der Lage, gerecht zu teilen und zu verteilen, was da ist. Nicht nur Blümchen, sondern auch große Bäume verdorren, weil es immer wärmer wird auf der Erde. Und weil viele Erwachsene noch immer nicht bereit sind, etwas dafür zu tun, dass sich das ändert. Das wird Matthis leider alles auch noch lernen, wenn er größer wird.

Aber jetzt, mit fünf, lernt er erst einmal zu danken. Er lernt zu begreifen, wie gut es ihm geht. Dass er sogar teilen kann mit dem kleinen Bruder, ohne dass er Angst haben muss, dass es nicht reicht. Wie schön, wenn das Leben so anfangen kann: mit Dankbarkeit. Ohne Angst.

Ich glaube, dass so ein Anfang das Leben prägt. Man muss nicht immer nur auf sich selber sehen – wenn man Grund hat, dankbar zu sein. Man muss nicht immer alles für sich allein nehmen, was geht – weil die Not der Kindheit wieder kommen könnte. Ich glaube, dass Menschen engherzig werden und selbstsüchtig, wenn sie nicht gelernt haben, dankbar zu sein. Wenn sie nicht erlebt haben, dass genug da ist.

Irgendwann wird Matthis wahrscheinlich auch begreifen, dass der Spruch vom Krokodil etwas anderes ist als das Dankgebet zu Gott. Vielleicht wird er mehr von Gott hören und lernen, dass man sich auf ihn verlassen kann. Nicht bloß, wenn es einem gut geht, sondern auch, wenn man traurig ist. Dann hilft Gott, das auszuhalten. Ich hoffe, dass er das lernt. Von seinen Eltern und Großeltern. Vielleicht auch in der Kinderkirche oder im Religionsunterricht.

Ich hoffe sehr, dass er auch andere Gebete kennen lernt, nicht nur das vom Tierlein und den Blümchen. Vielleicht das Vaterunser. Da steckt alles drin, was man braucht. Und was man sagen kann, wenn einem das Leben die Sprache verschlägt. Dann tut es gut, solche Worte zu haben, mit denen man sich von der Seele reden kann, was einen bedrückt. So könnte er lernen auszusprechen, was ihm Freude gemacht hat. Und auch, was ihm Angst macht. Und dass man das alles Gott sagen und auf seinen Beistand vertrauen kann.

Vor dem Essen betet Matthis auch heute schon selbst. Besonders, wenn er hungrig ist. Dann sagt er: „Lieber Gott, segne flott!“ Das hat er von der Oma gelernt.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

29.07.2021
Lucie Panzer