Anteil an der göttlichen Würde

Gemeinfrei via unsplash / Jake Nackos

Anteil an der göttlichen Würde
15.07.2023 - 10:00
15.07.2023
Diederich Lüken

Jeder Mensch hat seine Würde in Gott, aber sie wird ihm oft streitig gemacht. Die Geschichte der Entwürdigungen ist so lang wie die Menschheitsgeschichte. Genauso lange gibt es Menschen, die sich dagegenstemmen.

 

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ So lautet der erste Artikel der Grundrechte in unserem Staat. Die Würde bedeutet, dass jeder Mensch einen Wert hat. Jeder Mensch ist einmalig und wertvoll, ob er klein oder groß, alt oder jung, arm oder reich, krank oder gesund ist, ob er viele Freundinnen und Freunde hat oder gar keine. So erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung die Würde des Menschen.

Als Gottes Partner gedacht

Diese Auffassung über die Würde des Menschen hat eine ihrer Quellen in der Bibel. Dort wird im ersten Schöpfungsbericht gesagt, dass Gott den Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen habe. (1. Mose 1, 27) Das bedeutet, dass der Mensch mit einer ähnlichen Würde bekleidet ist wie Gott selbst. Er wird Gottes Partner in der Gestaltung der Welt.

Bei dieser Wertschätzung ist es nur umso schwerer zu ertragen, wie der Mensch mit dieser hohen Begabung die Würde des Mitmenschen mit Füßen tritt. Das fängt schon in der Bibel an. Kain erschlägt Abel, weil er eifersüchtig ist auf die göttliche Zuwendung zu seinem Bruder. Eine Welle von Entwürdigungen schwappt von da an über die Menschenwelt. Die Bibel selbst erzählt davon, wie der Mensch die Würde seines Mitmenschen verleugnet und ihn behandelt als Gegner und als Feind, ohne Rücksicht darauf, dass der andere so wie er selbst Anteil an der göttlichen Würde hat. Er entwürdigt seine Mitmenschen und verliert dabei seine eigene Würde.

Entwürdigt

Auf der anderen Seite leben die Menschen, die entwürdigt werden, die Entwürdigten. Auch hier ist die Bibel zu nennen – sie kennt die Sklaverei so gut wie die ganze Antike. Indem ein Mensch zum Dasein als Sklave verurteilt wird, gehört er jemandem, wird er von einem Subjekt, das er von Geburt an ist, zu einem Objekt, das man kaufen und verkaufen kann. Da werden zum Beispiel junge Frauen, auch Mädchen mit großen Versprechungen aus ihrer Heimat nach Deutschland gelockt. Man findet sie wieder am Straßenrand, auf Freier wartend, weil sie damit die Kosten für ihren Transport bezahlen sollen. Menschen flüchten aus Gewaltherrschaften nach Europa und werden in würdelose Massenunterkünfte gesteckt. Menschen hungern und verhungern in einer reichen Welt.

Wiederhergestellt

Jesus Christus stellte sich auf die Seite der Entwürdigten und gab ihnen ihre Würde zurück. Zehn Männer kommen ihm entgegen, mit einer Ratsche kündigen sie ihr Kommen an. Dazu sind sie verpflichtet. Denn sie sind mit einer ansteckenden Krankheit befallen, dem Aussatz. Heute würde man es sicher Lepra nennen. Dieser Krankheit wollte man sich nicht aussetzen. So wurden sie ausgestoßen und verachtet. Sie waren ihrer Würde beraubt. Jesus aber nimmt sich ihrer an und fordert sie auf, sich den Priestern zu zeigen. Die Priester waren im Rahmen der Reinheitsgebote für diese Krankheit zuständig. So geschieht es, und die zehn werden als genesen befunden. ( Lukas 17, 11–19)

Jesus gab den Frauen ihre Würde zurück. Wer eine Frau auch nur ansieht und sie begehrt, macht sich des Ehebruchs schuldig, lehrte er. Jesus gab den Ausländern ihre Würde zurück. Er heilte nach kurzem Bedenken die Tochter einer syrisch-phönizischen Frau. Er stellte sich zu einem bußfertigen Zollbetrüger – im Gegensatz zu einem hoch auffahrenden Pharisäer, der im gleichen Tempel mit seinen religiösen Pflichterfüllungen prahlte. Jesus gab nicht nur den Entwürdigten ihre Würde zurück, er bekämpfte auch Zeitgenossen, die die Entwürdigung betrieben.

Es ist gut, wenn die Kirche Jesu Christi diesem seinem Vorbild folgt. Vielleicht steckt sie auch andere an, dasselbe zu tun.

15.07.2023
Diederich Lüken