Guten Abend. Heute erzähle ich Ihnen von meiner Begegnung mit einer ganz kleinen Kämpferin. Wir stehen am Bettchen. Das Krankenhaus, in dem ich als Seelsorgerin arbeite, hat eine Frühchen-Intensivstation. Die Kleine da im Bettchen, immer noch ein Zwerglein, verkabelt und mit dem Monitor verbunden. Lea. Sie trägt mittlerweile eigene Kleidung, gestartet ist sie anders, im Inkubator (Brutkasten) nur mit einer Windel angezogen, winzig, viele Wochen zu früh geboren, knapp überlebensfähig. Und jetzt soll Lea endlich nach Hause entlassen werden. Aber unter einer Bedingung:
Drei Tage alarmfrei sein. Kein Piepen am Monitor wegen Herz oder Lunge oder Kreislauf. 72 Stunden. Zweimal hat sie es schon fast geschafft. Aber dann kommt immer doch noch ein Alarm. In der 69. Stunde, in der 70. Stunde, ganz knapp davor. Und dann wieder von vorne zählen.
Drei Tage Hoffen. Drei Tage wie eine Ewigkeit.
Drei Tage können aber auch ganz schnell vorbei sein, viel zu schnell. Wochenende, Freitag bis Sonntag. Zwei Übernachtungen, das ideale Kurzurlaub-Paket. Und: Drei Tage sagt auch das alte Glaubensbekenntnis der Kirche. Am dritten Tage auferstanden von den Toten. Wieder die drei. Karfreitag – Karsamstag – Ostersonntag. In drei Tagen kann ganz viel passieren. Und auch ganz wenig.
Drei Tage. Manches geht halt nicht so schnell. Wär vielleicht schön, wäre angenehmer, hoppdiwopp, Tod, Leben, schnell das Schwere hinter mir lassen. Aber so ist es oft nicht. Es dauert. Dafür ist der Karsamstag da. Heute. Karsamstag ist nicht Ostersamstag, auch wenn man das in schöner Regelmäßigkeit in Zeitungen und in Fernsehprogrammen lesen kann, was mich echt immer aufregt, weil ich es wichtig finde, heute den Karsamstag zu begehen. Es ist der Tag in der Mitte.
Mittendrin und es ist noch nicht da, was wir so herbeisehnen und die Welt auch braucht: Ostern. Leben. Fülle. Alles gut. Nein, noch nicht. Dieser Weg vom Karfreitag bis Ostern dauert drei Tage, und die braucht er auch.
Ich hab jahrelang mit meiner Gemeinde einen Gottesdienst zur Osternacht gefeiert. Begann quasi jetzt in der Nacht auf Sonntag. Und das war schön, aber ich bin mittlerweile dazu übergegangen, ein paar Stunden später, einen Osterfrühgottesdienst zu feiern. Am dritten Tag erst, Sonntagmorgen, so früh, dass es noch dunkel ist und über der Stunde, die wir im Gottesdienst sind, die Dämmerung anbricht und wir die Osterkerze mit dem ersten Licht des dritten Tages entzünden.
Zu erleben, dass das Licht wiederkommt. Das ist Ostern. Wunderschön. Ein Gottesgeschenk. Aber das fliegt nicht rein und dreht alles Leid im Nullkommanix. Es kommt in die Stille, in die Schwere und in die Traurigkeit. Da wo nichts passiert, wo alles gescheitert ist.
Jesus ist tot. Karfreitag. Jesus liegt im Grab. Karsamstag. Sonst nichts. Ende. Kein Osterfeuer. Pause. Muss ich aushalten.
Ein Drei-Tage-Weg. Am dritten Tag wird es erst hell. Ostermorgen. Das Grab ist leer. Jesus ist auferstanden.
Lea hat es übrigens hinbekommen. Eine echte Ostergeschichte! Nach drei Tagen ohne Alarm ist sie mit ihren Eltern nach Hause gegangen. Ins Leben. Und ich wünsche Ihnen jetzt für morgen: gesegnete Ostern!
Westdeutscher Rundfunk (WDR)
Redaktion: Christiane Mausbach