Magdeburg. Aschaffenburg. Und am vergangenen Donnerstag München. Nicht erst seit diesen Anschlägen sind die Angst und das Misstrauen größer geworden. Was hilft, um mit der Angst umzugehen?
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Ich sitze in der Straßenbahn auf dem Weg zu meinem Büro, wie immer am Münchener Stiglmaierplatz. Demonstrierende ziehen draußen vorbei, rufen laut, tragen Plakate. Die Straßenbahn hält an. Ich schaue den Demonstrierenden vom Fenster aus zu. Höre die Trillerpfeifen. Eine ältere Frau mit einem kleinen Mädchen fällt mir auf. Bestimmt die Oma, denke ich, und sehe, wie die Kleine sich an sie ankuschelt. Das rührt mich. Dann fährt die Straßenbahn weiter.
Eine Viertelstunde später ist alles anders. Ein Fahrer hat sein Auto in die Gruppe der Demonstrierenden hineingesteuert. Er hat einfach Gas gegeben und ist direkt in die Menschen hineingefahren. Frauen, Männer und Kinder. Ein Donnerstagmorgen mitten im Alltag, mitten in München, mitten im Leben. Mehr als dreißig Verletzte, auch Schwerstverletzte, auch Kinder.
Es ist nicht zum Aushalten. Mir fehlen die Worte. Was kann ich sagen? Nichts. Oder nicht zu viel. Nicht zu schnell. Einige der Verletzten schweben nach wie vor in Lebensgefahr. Ich bete und hoffe, dass sie alle überleben. Ich bin dankbar für Menschen, die sofort da waren, um noch Schlimmeres zu verhindern, um den Verletzten zu helfen, um den Angehörigen beizustehen und den Passanten. Polizei, Rettungskräfte, Seelsorgerinnen und Seelsorger. Miteinander aushalten, was unerträglich ist. Und zusammenhalten.
In der Welt habt ihr Angst, hat Jesus einmal gesagt. Ja, ich finde, das ist eine Welt zum Angst haben. Meine Erfahrung ist: Es hilft, mir das einzugestehen. Und wenn jemand meine Angst sieht und ich seine oder ihre. Wenn wir gemeinsam unsere Angst aushalten. Mir hilft, dass Jesus die Angst ernstnimmt. Und Gott weiß: In der Welt habt ihr Angst.
Ich merke seit dem Anschlag in München und seit Aschaffenburg und Magdeburg: Die Angst ist gewachsen. Seit vorgestern ist sie noch lauter geworden. Tiefer in mich hineingekrochen. Sie brennt unter der Haut und lauert mir auf. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin und mich um-schaue, dann taste ich mit Blicken die Umgebung von größeren Menschengruppen ab, Autos, Gesichter. Dabei weiß ich doch: So ein Anschlag, ein Verbrechen – das geschieht. Hinterrücks und am helllichten Tag. Und ganz gleich, wer unser Land regiert.
Ja, wir haben allen Grund zum Angsthaben. Aber die Angst bringt uns nicht weiter, sie verhindert und sie heilt nichts. Das Leben ist mehr als Angsthaben, und es ist mehr als Angstmachen.
Der Satz von Jesus geht weiter: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost. Nicht die Angst bestimmt über uns. Wir leben mit ihr. Und wir leben zusammen, achten aufeinander und halten einander.
Mich tröstet das. Auch in der großen Sorge, was noch alles geschehen könnte. Einander halten. Weiter für die Verletzten hoffen und beten. Und für alle, die mit mir in dieser verletzten Stadt leben und in diesem Land. Seid getrost.
Es gilt das gesprochene Wort
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