Sinn kann man nicht machen. Sinn ergibt sich. Unsere Autorin findet den Sinn des Lebens in einem Schwarz-Weiß-Bild aus ihrer Schulzeit.
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Das macht Sinn. Ich weiß noch, wie sich vor vielen Jahren eine Freundin, Deutschlehrerin, über diese Formulierung aufgeregt hat. Also, wenn Leute sagen: Das macht Sinn. Einfach weil es sprachlich falsch ist, hat sie erklärt. Klar, richtig heißt es: Etwas ergibt Sinn. Sinn ergibt sich. Wird gegeben, geschieht.
Sinn – davon bin ich fest überzeugt – Sinn ist nicht machbar. Sinn ist DA – und wir können uns hineinbegeben. Und zwar im eigenen Tempo. Mich hineinstürzen – voller Freude. Sinn spüren in dem, was ich tue. Oder vorsichtig – ja, ich ahne den Sinn dahinter. Und manchmal auch vor und zurück und wieder vor und zurück - wie beim Tanzen. Ich mag diesen Gedanken.
Sinn ergibt sich. Nicht ich stelle ihn her. Sogar bei der großen Frage nach dem Sinn des Lebens stimmt das.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in der 9. oder 10. Klasse eine Art Schlüsselerlebnis hatte. Im Religionsunterricht hat uns die Lehrerin gefragt: Was würdet ihr sagen, was ist der Sinn des Lebens? Ich erinnere mich vage an unsere Antworten. Ich weiß noch, dass wir sehr ethische, friedensbewegte Sachen gesagt haben. So was wie Gutes tun. Lauter aktive Sachen.
Dann hat die Lehrerin ein kopiertes Schwarz-Weiß-Bild an alle verteilt. Darauf strahlt mich eine Jugendliche an. Sie ist sichtbar geistig und körperlich behindert. Das Mädchen lehnt sich lachend an eine andere Person an. Die Lehrerin schreibt an die Tafel: Der Sinn des Lebens ist, geliebt zu werden.
Mich hat das damals total berührt. Und ich habe es nicht vergessen. Der Sinn des Lebens ist passiv. Geliebt werden. Mich lieben lassen. Das Schwarz-Weiß-Bild von dem Mädchen habe ich noch heute, mehr als 40 Jahre später. Es liegt in einer Kiste zwischen lauter Kunst-Postkarten und befindet sich da in bester Gesellschaft mit Paul Klee, Frida Kahlo, Matisse und Paula Modersohn-Becker. Auch eine Kunst-Karte, auf eine andere Weise. Ich sehe darauf die Kunst, ein sinnvolles Leben zu führen.
Die Frage nach dem Sinn treibt viele um. Philosophisch, psychologisch, religiös. Vor allem im eigenen Lebenslauf. Die Sinnfrage kommt immer wieder. Als Pfarrerin bin ich quasi hauptberuflich damit beschäftigt. Irgendwann habe ich gemerkt: Im Hinterkopf habe ich immer dieses Bild gehabt und diesen einfachen Satz: Der Sinn des Lebens ist, geliebt zu werden. Als Gottes geliebtes Kind zu leben.
Es gilt das gesprochene Wort.