gemeinfrei via unsplash / Raphael Renter
Regenbogenwege
Der Christopher Street Day und die Kirchen
28.06.2025 06:20

Viele Kirchengemeinden sind heute offen für queere Menschen. Das war nicht immer so – und ist es bis heute nicht überall.

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In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 wurde in New York Geschichte geschrieben. In der kleinen Bar Stonewall Inn im Stadtteil Greenwich Village erhoben sich Menschen gegen die Willkür der Polizei. Es waren Schwule, Lesben, Dragqueens, Transmenschen – viele von ihnen am Rand der Gesellschaft. Sie hatten genug von Angst, Gewalt und Diskriminierung. Der Aufstand in der Christopher Street war der Beginn der modernen LGBTQ+-Bewegung – ein Regenbogenweg der Freiheit.

Heute wehen im Juni vielerorts Regenbogenfahnen. Es gibt Pride-Paraden, queere Gottesdienste, neue Offenheit. Und doch ist es auch ein Tag des Innehaltens – besonders für uns als Kirchen.

Die Kirchen waren lange kein sicherer Ort für queere Menschen. Im Namen Gottes wurde verurteilt, ausgegrenzt, verletzt. Auch dort, wo wir heute offen sind, dürfen wir nicht vergessen, wie viel Schuld und Leid es gegeben hat – und teils noch gibt.

Viele queere Christenmenschen wurden gezwungen, sich zu verstecken – oder zu gehen. Ihnen wurde eingeredet, sie seien "falsch", "sündig" oder "nicht gewollt". Solche Wunden sitzen tief.

Gott ist größer als menschliche Enge. Und seine Liebe weiter. In der Bibel beim Propheten Jesaja spricht Gott: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR." 

Regenbogenwege – das sind Wege, die bunt sind, vielfältig, manchmal kurvig und ungewohnt. Aber sie führen unter Gottes Himmel. Der Regenbogen ist ein biblisches Zeichen. Nach der Sintflut setzt Gott ihn in den Himmel – als Zeichen des Bundes mit allen Geschöpfen. Nicht nur mit den vermeintlich "richtigen" oder "angepassten". Sondern mit allen.

Die Kirchen haben begonnen umzudenken. Heute gibt es in vielen evangelischen Landeskirchen die Möglichkeit, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen oder zu trauen. Es gibt queere Pfarrpersonen, offene Gemeinden, Räume der Begegnung. Das ist gut. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Aber es ist ein Weg.

Wir müssen ehrlich fragen: Wie schaffen wir Räume, in denen niemand mehr seine Identität verstecken muss? Wie leben wir eine Theologie, die keine Angst verbreitet und nicht ausschließt, sondern von der Liebe und Gerechtigkeit spricht?

Jesus selbst hat sich den Menschen zugewandt, die am Rand standen. Er hat sie gesehen, berührt, befreit. Wer ihm nachfolgen will, kann nicht gleichzeitig Mauern bauen.

Der 28. Juni, der Christopher Street Day ist für mich ein Tag des Gedenkens – und der Hoffnung. Ich bete für Heilung, wo Wunden geblieben sind. Für Mut, wo Menschen sich immer noch verstecken müssen. Und für eine Kirche, die wirklich Heimat ist – in aller Vielfalt.

Regenbogenwege – sie sind manchmal unbequem. Aber sie zeigen, was möglich ist, wenn wir uns vom Geist Gottes bewegen lassen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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