Teaser: Die Oma unseres Autors Steffen Madloch hatte im Herbst immer Eingewecktes parat: die Früchte des Sommers für die trüben Tage. Das funktioniert auch im übertragenen Sinn.
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Ich denke an den Sommer zurück. Gerade jetzt, wo die Tage deutlich kürzer geworden sind und die Temperaturen zurückgehen, überfällt mich so eine Sehnsucht nach seidig-warmer Morgenluft und lauen Sommerabenden. Und ich erinnere mich, wie meine Großmutter früher den Sommer in Gläsern aufbewahrt.
Immer wenn wir Kinder bei ihr zum Essen waren, gab's nach dem Hauptgang etwas, das im Keller lagerte. Etwas Eingemachtes. Pflaumen, Birnen, Kirschen – ein eingekochter Sommergarten schlummerte im Keller meiner Oma. Und in den trüben Monaten des Jahres, da gingen wir häufiger ans Eingemachte. Wir haben die Früchte gegessen, die der Sommer gebracht hat.
Ans Eingemachte gehen heißt im übertragenen Sinn ja eher, aus dem Keller meines Lebens heraufholen, was ich schon seit Jahren mal öffnen und anschauen sollte. Das sind eher Sachen, die bitter schmecken.
Aber mit der Erinnerung an die eingelegten Pflaumen, Birnen, Kirschen bei meiner Oma hat "ans Eingemachte gehen" für mich etwas Positives. Ich wecke von den guten Zeiten etwas ein für die trüben Monate. Etwas, das dann trägt und neuen Mut macht. So eine Art eingekochtes Zutrauen, Gläser voller Hoffnung und Mut-mach-Geschichten zum Hochholen.
Wie gern würde ich in den Keller gehen und etwas Eingemachtes heraussuchen gegen Hass und Hetze, etwas Mutmachendes gegen Ohnmacht und Verzweiflung. Ich erinnere mich an die positiven Ereignisse in meinem Leben – privates und zeitgeschichtliches. Nach wie vor stellt sich eine tiefe Dankbarkeit in mir ein, wenn ich an den Oktober 1989 denke. Ich habe ihn direkt in Ost-Berlin miterlebt.
Genau: Schnell in den Keller und ein Glas Friedliche Revolution öffnen und davon probieren, was wir damals erkämpft haben. Das vertreibt den üblen Geschmack des Schlechtredens. Oder ein Glas Mut. Den habe ich gebraucht, als ich mit einem Gleitschirm von einem 1400 m hohen Berg gesprungen bin.
Es schlummert einiges Eingewecktes in unseren Kellern. Das kann man allein genießen. Oder man macht einen Abend im Oktober mit Freundinnen und Freunden und öffnet Einweckgläser miteinander. Eingemachte Pflaumen, Birnen, Kirschen und eingemachte Hoffnung, die sich erfüllt hat, eingewecktes Glück, das wir gefunden haben.
Bei Eingemachtem ist auch mal ein Glas dabei, das nicht schmeckt. Wir brauchen die Erinnerungen an das Bittere, aber eben auch an die köstlichen Stunden unseres Lebens. Also: Auf ans Eingemachte!
Es gilt das gesprochene Wort.