Ein hin gesprühter Spruch. Sachbeschädigung – kann man sagen. Unseren Autor erinnert er an eine einfache Wahrheit.
Sendung nachlesen:
Ich war auf einem meiner alltäglichen Wege – von der Arbeit im Klinikum Berlin-Neukölln zu den Gropiuspassagen. Eine Strecke, die ich schon ungezählte Male gegangen bin. Er ist nicht besonders spannend, dieser Weg, eher funktional. Ein Übergang, der mich von A nach B bringt. Aber an diesem Tag war es anders.
Mein Blick fällt auf die Außenwand eines unscheinbaren Flachbaus. Auf der Wand steht ein Spruch mit schwarzer Farbe aufgesprüht: "Bin ich mit dir, ist der Rest egal!" Versehen mit einem Herz als Ausrufezeichen.
Wow, denke ich. Da ist wohl jemand so richtig verknallt. Bin ich mit dir, ist der Rest egal! Der Spruch begleitet mich, nicht nur weil ich ihn fotografiert habe. Er erinnert mich an Liebes- und Zutrauensworte, die in der Bibel stehen, in den Psalmen. Zum Beispiel: "HERR, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde." Oder aus Psalm 23: "Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir." Ich könnte mit dem aufgesprühten Spruch weiterbeten: "Bin ich mit dir, ist der Rest egal!" Die Liebeserklärung an der Wand ist wie aus einem modernen Stadtpsalm aus Berlin-Neukölln.
Inmitten der Großstadt, in einer Zeit, in der vieles laut ist, beschreibt der Satz die einfache Wahrheit: Wenn ich jemanden an meiner Seite habe, dann verliert der Rest an Bedeutung. Stress, Sorgen, die ganzen To-Do-Listen rücken in den Hintergrund, weil das Wesentliche klar wird: der Mensch, der mit mir geht. Für mich auch: Gott, der mit mir geht.
"Bin ich mit dir, ist der Rest egal." Das erlebe ich bei meiner Arbeit als Klinikseelsorger. Täglich treffe ich auf Menschen, die mit Ängsten, Sorgen oder Schmerzen zu kämpfen haben. Manche sind in ihrer aktuellen Lebenssituation gefangen. Andere tragen ihre Verletzungen aus der Vergangenheit. Immer wieder passiert es, dass ein einfaches "Ich bin da für dich" heilende Wirkung hat, ein Moment des Mitgefühls, ein Gespräch.
Neukölln wird von außen oft nur mit Vorurteilen betrachtet. Für mich ist der Bezirk ein Ort der Begegnung. Hier kommen Menschen aus verschiedenen Kulturen, mit unterschiedlichen Geschichten zusammen. Da geht es darum zusammenzufinden. Sind wir füreinander da, ist egal, was der Rest über uns sagt.
Es ist nicht wichtig, was jemand hat oder woher er kommt. Wichtig ist, einander wahrzunehmen, mitmenschlich zu sein. Die Kraft dafür kommt für mich aus dem Vertrauen: "Gott, bin ich mit dir, ist der Rest egal."
Es gilt das gesprochene Wort.
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!