Stopp jetzt!
Durchsage für mehr Miteinander
18.10.2024 06:20

"Det is ja jetzt wohl nicht euer Ernst!" Ein Berliner Lokführer macht klare Ansage für Mitmenschlichkeit.

 

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Mit dem Regionalexpress bin ich Richtung Berlin Zoo unterwegs. Ein normaler Arbeitstag. Der Zug ist voll mit mehr oder weniger gut ausgeschlafenen Pendlern. Ich habe einen Platz im oberen Abteil und höre Podcast. Im Bahnhof Friedrichstraße muss der Zug lange halten. Es steigen viele Fahrgäste ein.
Plötzlich erfolgt eine Durchsage, die mich die Ohrstöpsel rausnehmen lässt: "Det is ja jetzt wohl nicht euer Ernst, den Rollstuhlfahrer nich in den Zug zu lassen." Kurze Pause. Dann erneut die Stimme: "Wir fahren erst weiter, bis alle mitkommen."


Wow, denke ich, was für ein umsichtiger Lokführer mit dem berühmten Herz auf der Zunge. Seine Ansage wirkt. Nach ein, zwei Minuten setzt sich der Zug wieder in Bewegung.


Der Rollstuhlfahrer ist wohl drin. Die kleine Szene arbeitet in mir weiter. Was wäre gewesen, wenn es die Durchsage nicht gegeben hätte? Dann wäre der Rollstuhlfahrer vermutlich auf der Strecke geblieben. "Wir fahren erst weiter, bis alle mittkommen!"


Der Satz begleitet mich. Lieber etwas länger warten und rücksichtsvoll zusammenrücken, als jemanden zurücklassen. Das gefällt mir und wäre für vieles eine gute Maxime.


Paulus in der Bibel hat ähnlich argumentiert wie mein Berliner Lokführer. Wir gehören alle zusammen, wie Glieder an einem Leib. Wenn ein Körperteil leidet, der kleine Finger oder der Fuß, so leiden die anderen mit.


Übertragen auf meinen Zug höre ich: Wir gehören als Gemeinschaft auf Zeit im Zug von Frankfurt/ Oder nach Magdeburg zusammen und sollen aufeinander achten. Und mal noch größer gesponnen. Auch als Menschheit gehören wir auf Zeit zusammen. Wenn einer von uns leidet, dann leidet die ganze Menschheit.
Ich stelle mir vor, wie Gott Durchsage macht: "Det is jetzt nicht euer Ernst, dass Millionen Menschen hungern und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben! Det is jetzt nicht euer Ernst, dass die Güter der Welt so ungerecht verteilt sind! Det ist jetzt nicht euer Ernst, dass sich die Menschen immer noch die Köppe einhauen, weil se nich miteinander können! Also stopp jetzt – wir fahren erst weiter, bis alle mitkommen."


Das fände ich gut. Aber ich weiß: Damit mache ich es mir zu leicht. Auf Gottes Einspruch hoffen angesichts der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten. Ich glaube: Gott hat uns Vernunft und Freiheit gegeben. Wir können überlegt handeln und aufeinander achten. Grandios, wenn es einer wie mein Berliner Lokführer tut: "Stopp jetzt, wir fahren erst weiter, bis alle mitkommen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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