Wort zum Tage
Refugees are welcome here!
07.05.2021 06:20
Sendung zum Nachlesen

Kurz vor Ostern sprach der Fluganbieter Eurowings von Buchungen "in einer bisher nicht ge-kannten Dynamik" und legte kurzfristig 300 zusätzliche Flüge nach Mallorca auf.
Der Flieger, der wenige Tage nach Ostern alleine am zukünftigen Regierungsterminal des neu-en Hauptstadtflughafens BER bereitsteht, ist auch ein zusätzlicher Flieger. Doch dieser Flug ist anders.
Die einzigen, die freiwillig an Bord gehen, sind das Flugpersonal und Polizistinnen und Polizis-ten.
Keine Schlange vor der Abfertigung, kein Check-Inn, kein Duty-free. Die Passagiere haben noch nicht einmal ein Ticket gekauft.
Nur der Corona-Test, der ist auch hier obligatorisch.
Man ist da vorsichtig. Nur mit einem negativen Corona-Test wird nach Afghanistan abgescho-ben. Dort herrscht Krieg, das Gesundheitssystem ist längst kollabiert und 30% der Bevölkerung ist unterernährt. 
Ahmad N., der im Februar vom BER dorthin abgeschoben wurde, berichtet in einem Telefonat mit dem Flüchtlingsrat Brandenburg: "Im Flughafen hielt man mich etwa drei Stunden fest. Es sollte ein Corona-Test durchgeführt werden. Ich wollte das nicht, aber drei Personen fixierten mich und der Arzt führte den Test gegen meinen Willen durch. Ich stand total unter Schock."
Wenn Gefahr für Leib und Leben droht, dann reicht es nicht, die Opfer unter dem Rad zu ver-binden; dann ist es geboten, dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Das habe ich bei Diet-rich Bonhoeffer gelesen und aus der langen Tradition der Kirchenasylbewegung gelernt.
Beten und das Tun des Gerechten sollen Hand in Hand gehen, sagt Bonhoeffer. Dem Rad in die Speichen fallen. Große Worte. Mir weisen sie einen Schritt aus der eigenen Ohnmacht heraus, die ich empfinde, wenn ich immer wieder von Abschiebungen höre. Die Ohnmacht, die bleibt, auch wenn ich wieder eine Petition unterzeichne oder meinen Namen unter einen offenen Brief an Innenminister Seehofer setze. 
Jetzt gehen wir zum BER. Genauer gesagt in den Cargo-Bereich des BER, wo Waren und Güter verladen werden. Dort befindet sich der einzige Bauabschnitt, der pünktlich in Betrieb ge-nommen wurde, die "Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende" – Klartext: der Abschiebeknast.
Genau vor diesem stehe ich jetzt am Abend der geplanten Abschiebung. 200 Menschen blockie-ren die Ausgänge. Dieses Mal werden wir dem Rad in die Speichen fallen.
Die Polizei holt behelmte Verstärkung und setzt auch diese Abschiebung mit Gewalt durch. Der Flieger startet.
Auf der Heimfahrt mit der S-Bahn höre ich: "Das war so schräg, oder? Der Flieger startet Richtung Kabul und das letzte, was die Abgeschobenen sehen und hören, sind 200 Menschen, die umzingelt von der Polizei rufen: "Refugees are welcome here!" – Geflüchtete sind hier Willkommen!"
 

Es gilt das gesprochene Wort.