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Sendung zum Nachlesen:
Ich habe diese Woche nachts geträumt, ich wäre im Krieg und müsste zur Waffe greifen. In meinem Traum bin ich davongelaufen. Mir geht es wie vielen anderen: Der Krieg in der Ukraine treibt mich um bis in den Schlaf hinein. Die Frage zerreißt mich: Was hilft, um Russlands Angriff zu stoppen und das Grauen des Tötens zu beenden?
Als 19-Jähriger habe ich den Kriegsdienst verweigert und Zivildienst geleistet. Als Christ bin ich geprägt von den Sätzen Jesu wie „Selig sind, die Frieden stiften“ und „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, halte ihm auch die andere hin“.
Aber es wäre eine Anmaßung, wenn ich das hier im friedlichen Deutschland von den Menschen in der Ukraine verlange, die sich gegen Putins Armee verteidigen. Es steht mir nicht zu, aus der sicheren Ferne andere zu Gewaltlosigkeit aufzurufen, die ihr Leben einsetzen, weil sich der Aggressor ihr Land einverleiben will. Das Recht des Stärkeren hätte gesiegt, das Unrecht triumphiert. Vielleicht wäre der Krieg dann zu Ende, weil der Schwächere am Boden liegt und sich nicht mehr wehren kann. Aber das wäre kein wahrer Frieden. Das wäre ein falscher, blutiger Frieden.
In der Bibel gibt es Frieden nicht ohne Gerechtigkeit. Das ist mir neu klargeworden. Gerechtigkeit bedeutet: Unrecht bleibt nicht ungesühnt. Menschen und ganze Völker, die andere angreifen, müssen sich verantworten und werden gerichtet. Schon jetzt haben europäische Ermittler und der Internationale Strafgerichtshof angefangen, die mutmaßlichen Kriegsverbrechen von Butscha und anderen Orten in der Ukraine zu untersuchen und Beweise zu sammeln.
Doch kein Gericht der Welt kann vollkommene Gerechtigkeit herstellen. Die Morde sind begangen worden. Wenn eines Tages die Kriegsverbrecher verurteilt werden, ist das eine Genugtuung. Aber die Toten werden dadurch nicht wieder lebendig. Die Vorstellung in der Bibel ist: Gott zieht am Ende die Gewalttäter zu Rechenschaft und stellt für die Opfer Gerechtigkeit her.
Das drückt eine der großen Friedensvisionen in der Bibel aus. Auch in ihr geht es an erster Stelle um Gericht und Gerechtigkeit. Im Prophetenbuch Jesaja heißt es: Am Ende der Zeit werden alle Menschen und viele Völker zum Berg Gottes ziehen. Und Gott „wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker“ (Jesaja 2,4). Unrecht wird also nicht einfach übergangen. Es findet ein Gericht statt. Ohne einen Ausgleich für den Schaden gibt es keinen Frieden. Auch in dieser großen biblischen Vision fällt Frieden nicht einfach vom Himmel. Der Weg vom Krieg zum Frieden führt über die Gerechtigkeit.
Erst dann heißt es weiter im Prophetenbuch Jesaja: „Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ (Jesaja 2,4) Schwerter zu Pflugscharen, das kommt als zweiter Schritt auf dem Weg zum Frieden. Der erste Schritt ist, dass Gott richtet und für Gerechtigkeit sorgt.
Das ist eine Vision für das Ende der Zeit. Sie tröstet. Und sie macht trotzig. Denn die Verbindung von Gerechtigkeit und Frieden gilt schon heute: Das Recht des Stärkeren darf nicht das letzte Wort behalten.
Und: Menschen sind nicht auf ewig dazu verdammt, Feinde zu bleiben. Bei Jesaja steht: „Sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ Der Satz drückt aus: Man kann den Krieg auch wieder verlernen. Schwerter zur Pflugscharen, das ist und bleibt das Ziel, auch wenn der Weg dorthin gerade lang erscheint.
Das erleichtert keine der Entscheidungen, die derzeit getroffen wurden und anstehen: Der Ukraine noch mehr schwere Waffen liefern? Die Sanktionen schnell und konsequent auf Öl und Gas erweitern, auch um den Preis des eigenen wirtschaftlichen Wohlstands? Weniger heizen, das Auto so oft wie möglich stehen lassen? Welche Mittel gibt es noch, die zu einem gerechten Frieden führen? Bei allen Fragen ist eines vollkommen klar: Es darf kein falscher, kein fauler, es muss ein gerechter Frieden sein. Damit am Ende aus Schwertern Pflugscharen werden.
Es gilt das gesprochene Wort.