Wozu soll ich denn mal mein nächstes Wort zum Sonntag sprechen?, frage ich eine Freundin. „Hach, ganz einfach: zum Thema ‚Frühlingsgefühle‘.“
„Puh“, denke ich, na toll. Was soll ich denn dazu sagen? Was soll das überhaupt sein? Frühlingsgefühle? Ist das nicht nur was für heillose Romantiker:innen oder frisch Verliebte? Für die etwas Verklärten? Und überhaupt: Haben Sie Frühlingsgefühle?
Irgendwann habe ich dann gedacht, ich wage mal ein kleines Experiment und mache das, wovor gerade alle warnen: Ich frage die künstliche Intelligenz ChatGPT. Zugegeben: Eine etwas seltsame Aktion – sich von einer künstlichen Intelligenz ausgerechnet zum Thema Gefühle einen Rat zu erwarten…
Trotzdem: Ich öffne ChatGPT und tippe ein „Was verstehst Du unter Frühlingsgefühlen? Und wie stellst Du Dir den Frühling vor?“
Die Antwort: „Als künstliche Intelligenz habe ich keine eigenen Erfahrungen, Gefühle oder Emotionen. Aber Frühlingsgefühle sind ein umgangssprachlicher Ausdruck für das Gefühlserleben in der Zeit des Frühlings, wenn die Natur erwacht und es wärmer wird. Oft werden damit romantische oder sexuelle Empfindungen verbunden, aber es kann auch allgemein ein Gefühl von Optimismus, Leichtigkeit und neuer Energie beschreiben.“
Okay. Dann nochmal: Haben Sie Frühlingsgefühle?
Wie fühlt sich das an? Sind sie frisch verliebt? Wecken die Sonne und die Farben der Natur in Ihnen Optimismus? Können Sie sich daran erfreuen, dass der Mandelzweig wieder blüht und die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht? Oder sind sie vielleicht sogar so richtig in Aufbruchsstimmung?
Bei mir löst der Frühling Freude und Dankbarkeit, aber zugleich auch Sorge aus.
Ich bin dankbar, dass ich diesen Rhythmus in der Schöpfung erleben darf. Trotz Krieg, trotz Leid. Aber komisch ist es trotzdem: Hier grüne Wiesen, ein Meer aus Tulpen, Hyazinthen und Osterglocken und dort Krieg, zerbombte Städte, fliehende Menschen, verlassene Tiere. Es fühlt sich absurd und heilsam zugleich an, dass der Frühling sich so gar nicht von der Trauer und der Angst, den Sorgen und Nöten der Menschen aufhalten lässt. Und es fühlt sich gut an: Zu sehen, dass neues Leben wächst, aller Widrigkeit zum Trotz. Dass aus scheinbar Leblosem wieder neues Leben entsteht. Das erinnert mich wieder an Ostern. Aber zugleich habe ich auch Angst.
Ich habe Angst, dass unsere planetarische Krise unsere Klimakatastrophe all dem ein Ende bereiten wird. Dass die Böden zu trocken oder zu nass sind, dass nicht nur ich, sondern auch die Pflanzen und Tiere bald ihren Rhythmus verlieren werden. Sie, wir alle sind doch so zerbrechlich. Klar, manches wird vielleicht noch aufzuhalten sein. Aber nicht einfach so. Nicht durch Zuschauen und weiter so.
Ich habe Angst, dass wir diese frühlinghafte Auferstehung der Natur und Tiere bald nicht mehr werden erleben können …. Und dabei wünsche ich es mir doch so sehr und schöpfe aus meinem Glauben Hoffnung auf die nötige Umkehr, Hoffnung auf Leben.
Ich wünsche mir, dass die Gefühle bleiben – und der Frühling. Das immer wieder Neues sprießen kann und dass wir einander beim Aufblühen, beim Aufbruch und Neuanfang helfen. Ich wünsche uns einen schönen, gefühlvollen Frühling.
Mitteldeutscher Rundfunk (MDR)
Redaktion: Susanne Sturm
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