Verbotene Gedanken
mit Pfarrerin Stefanie Schardien aus Fürth
20.07.2024 23:50

Das darfst Du nicht denken und schon gar nicht aussprechen, geschweige denn tun! Einem anderen Menschen den Tod wünschen - kommt jedoch wesentlich häufiger vor als vermutet, weiß Pfarrerin Stefanie Schardien aus vielen seelsorgerlichen Gesprächen. Wie damit umgehen? Darüber spricht sie im aktuellen Wort zum Sonntag. 

Sendung nachlesen:

So schöne Sommertage eigentlich. Sonne. Zusammensein mit anderen. Da könnte die Welt doch ein bisschen freundlicher sein…

Aber dann will plötzlich an so einem Julitag ein Mensch den Tod eines anderen. Vergangene Woche das Attentat auf Donald Trump.

Was mich seitdem umtreibt: Darf das sein? Dürfen Zorn, Verzweiflung, vielleicht auch Hilflosigkeit so groß werden, dass man anderen den Tod wünscht? Dass manche sagen, schreiben, denken: Knapp verpasst. Nein, darf man natürlich nicht! Und es gab ja auch gleich einhellige öffentliche Empörung: Wer so denkt und redet – ein paar Comedians etwa – wer so denkt und redet, hat Blut an den Gedanken und Worten!
Darf man wollen, dass andere tot sind? Kommt leider öfter vor, als man denkt. Andere verfluchen, so heißt das in der Bibel. Also: Dem anderen Leben entziehen wollen.

Ich brauche nur auf manche Seelsorgegespräche schauen. Da wird Verwandten durchaus mal der Tod an den Hals gewünscht. "Die kann gern früher als später gehen. Der wein´ ich keine Träne nach." Oder die vielen Opfer von Gewalt - dass die denken: Verfluchter Täter, wäre er endlich tot und könnte kein Unheil mehr anrichten… Würde es mir anders gehen?

In Erzählungen der Bibel werden andere Völker verflucht, Machthaber. Feinde. Immer in der Überzeugung: Die haben es halt verdient. Nur… was dort auch immer wieder steht: Gott will unser Fluchen nicht. Im Gegenteil: "Wer verflucht, der wird verflucht" – von ganz oben. Und das geht auch nicht erst beim Mordversuch los, sagt Jesus: "Schon wer auf seinen Bruder oder seine Schwester zornig ist, gehört vor Gericht. …Und wer zu seinem Bruder oder seiner Schwester sagt: ›Geh zum Teufel‹, gehört ins Feuer der Hölle." Extrem. Vermutlich nie ganz zu schaffen. Wer anderen trotzdem den Tod wünscht, kann nur auf Vergebung hoffen. Höchstens. Mehr nicht.
Seinen Segen gibt Gott nicht zu unserem Fluchen.  Warum?  

Weil dieses Verfluchen, anderen den Tod zu wünschen, das krasse Gegenteil von dem ist, was Gott will: Und das ist Segen. Vom ersten Moment der Schöpfung an: Segen. Leben schaffen und stärken. Auf allem, was Tod will, kann kein Segen liegen.
Aber sollen wir die Bösen einfach laufen lassen? Nein, eben nicht. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Das war mein Konfirmationsspruch. Moralisch? Ja, vielleicht, aber weiß jemand eine bessere Lösung?
Unser erster Job als Menschen ist es, den Segen, das Leben weiterzugeben. Segen liegt darauf, auf gerechte Weise für Gerechtigkeit eintreten, für menschenfreundliche Werte, für ein gutes gemeinsames Leben. Und wenn wir heute, am 20.Juli an das Attentat auf Hitler vor 80 Jahren denken, dann dürfen wir wissen: es ist heute anders.  Anders als 1944 können wir in Demokratien heute wählen gehen.
Kümmern wir uns um den Segen, und tun alles, alles, dass wir nicht in Verzweiflung geraten.
Damit haben wir viel zu tun und vermutlich viel in der Hand.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete (!) Nacht.

Sendeort und Mitwirkende

Bayrischer Rundfunk (BR)

Redaktion: Sabine Rauh-Rosenbauer