Ein glücklicher Mensch
von Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz
31.07.2024 06:35
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Ich nenne ihn mal Klaus. Klaus hat mit 60 Jahren gerade zum zweiten Mal geheiratet. Beruflich ist er selbständig, hat einen kleinen Betrieb. Die Pandemie hat sein Geschäft gerade so überlebt. Auf einer Feier sitzen wir zufällig nebeneinander und lernen uns kennen. Erst plätschert das Gespräch so hin und her. Dann sagt er etwas unvermittelt, dass er endlich - und eigentlich zum ersten Mal in seinem Leben - rundum glücklich ist. Ich staune und spüre, dass er nicht aufschneiden will, sondern es sich eher anfühlt wie das Sprichwort aus der Bibel: "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über." (Lukas 6,45) 
Glück war bislang nicht sein ständiger Lebensbegleiter. Was er jetzt erlebt, ist neu, meint er. Denn von heute aus betrachtet - in der Rückschau - erkennt er, dass er in seinem Leben immer nur die Vorgaben erfüllt hat. Und das möglichst gut. Er hat das gemacht, was von ihm erwartet wurde, was er meinte, tun zu müssen, weil es seine Bekannten und Freunde auch so machten. 
Er hat sehr viel gearbeitet, abends möglichst viel gefeiert, dabei immer gern gebechert. Dann geheiratet, Kinder bekommen, immer noch maximal viel gearbeitet, jetzt aber die Abende zumeist vor dem Fernseher zugebracht. Als die Kinder groß waren, ging die Ehe auseinander. Und er selbst kam ins Nachdenken, teils auch ins Straucheln. Warum machte er so viel, arbeitete fast nur noch, trank oft mehr, als er selber gut fand? 
Er hat sich dann gefragt, was ihn wirklich glücklich machen würde. Klar, eine gute Beziehung. Die hat er gefunden. Ein Riesengeschenk. Und er hat sich erinnert, dass er in jungen Jahren selbst Musik gemacht hat, das aber über Jahrzehnte hat schleifen lassen. Dabei weiß er noch, dass er sich da so sehr gespürt und wohlgefühlt hat wie sonst kaum. Und damit hat er wieder angefangen, hat sich eine Band gesucht. Es tut so gut!
Zum Glauben und zur Kirche, sagt er, hat er nie eine engere Bindung gehabt. Das war ihm ziemlich egal. Doch seit einigen Jahren, seit er ins Straucheln und Nachdenken kam, hat er die Kirchen entdeckt. Nicht die Gottesdienste und Gemeindekreise, nein, die Gebäude. Er fing damals an, in Kirchen zu gehen. Allein. Ohne Gottesdienst. Einfach Ruhe und Stille im Raum haben. Die Atmosphäre aufnehmen, für sich sein. Im Schnitt bleibt er meist fast eine Stunde. 
Was da in der Kirche ist oder geschieht, kann er nicht fassen oder benennen. In der Kirche selbst fühlt er oft gar nichts oder nicht viel. Aber hinterher, sagt er, "hinterher hat sich immer etwas bei mir verändert". 
Ich staune über Klaus und denke noch oft an ihn und das Glück. Glück kann man natürlich nicht einfach machen. Aber durch Klaus sind mir drei Sachen klarer geworden:
•    Es ist nie zu spät. Auch mit 60 – oder wann auch immer - kann man sein Leben gut gestalten und ändern.
•    Offene Kirchen, in die man einfach so reingehen kann, sind ein Segen für Menschen. Viel mehr, als ich es mir vorstelle.
•    Herzenswünsche sollte man nicht dauernd vertagen, sondern versuchen, sie in die Tat umzusetzen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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