Wort zum Sonntag
Jesus rührt Menschen an
24.10.2015 10:00

Eine große Bitte wird erfüllt

Sein Name interessierte die Leute schon lange nicht mehr. Sie nannten ihn nur „den Aussätzigen“. Wenn sie ihn auf der Strasse erkannten, klang dieser Name wie eine Sirene: „Da, der Aussätzige! Besser, wir machen Platz. Ich habe keine Lust mich anzustecken!“ Die Leute zogen sich weiträumig zurück. Der Aussätzige bedeckte seinen ganzen Körper mit Stoffen und Binden. Seine Haut juckte darunter und sah aus wie ein Streuselkuchen, sie war aufgerieben und blutig, auch vom vielen Kratzen. Die Geschwüre bildeten sich neuerdings auch an den Beinen. Die Ärzte konnten nicht mehr helfen. Die Salben wirkten nicht. Wahrscheinlich war die Sache hoch ansteckend, wer weiss. Die Leute schüttelten den Kopf. Besser, er blieb zu Hause. Oder noch besser, er verschwand ganz aus dem Dorf, denn ein Krankenhaus gab es nicht.

 

Eines Tages, so geht die Geschichte im Markusevangelium im Neuen Testament (Markus 1,40-45), kommt Jesus durch die Gegend. Der Aussätzige geht zu ihm hin, kniet vor ihm nieder und sagt in Richtung Boden: „Ich bitte dich, mach mich gesund. Wenn du das willst, dann kannst du das.“ Jesus bekommt Mitleid und streckt seinen Arm der Länge nach aus und fasst ihn an. Nicht bloß mit einer Fingerspitze, sondern mit der ganzen Hand. Hält sie ihm an den Arm oder an Kopf und sagt: Ich will es tun, sei gesund!

 

Sogleich wich der Aussatz von dem Mann und er wurde gesund.

 

 

Eine Berührung beim Zahnarzt

Es ist nicht zufällig, dass Jesus im Markusevangelium die Kranken oft durch Berührungen heilt. Nicht nur durch Worte wie „Sei gesund“ oder „Werde rein!“, sondern auch, indem er sie anrührt und damit etwas tut, was die anderen tage, monate-, vielleicht jahrelang nicht mehr gemacht haben. Der Entzug von Berührungen reicht aus, damit Menschen emotional verkümmern, vereinsamen und sich immer weiter zurückziehen.

 

In einer Gemeindegruppe sprachen wir über diese Wundererzählung und die Wirkung von Berührungen. Eine Frau erzählte uns die Geschichte ihrer Tochter. Die war Zahnarzthelferin. Eines Tages kamen zwei Polizisten mit einem Patienten in die Praxis. Der Mann war mit Handschellen gefesselt. Vor dem Röntgen sagte die Arzthelferin zu den Beamten: „Nehmen Sie ihm bitte die Handschellen ab, damit er sich richtig auf den Stuhl setzen kann.“ - „Geht nicht“, sagte einer der beiden, „dürfen wir nicht. Ist ein Schwerverbrecher.“ Da blickte die junge Frau den Mann an und sagte: „Setzen Sie sich“. Dann legte sie ihre linke Hand auf seine Schulter und die rechte an seine Schläfe und richtete ihm Oberkörper und Kopf für die Röntgenaufnahme aus. Der Mann schaute sie an, erstaunt: „Das“, sagte er, „hat seit Jahren keiner mehr gemacht - mich so berührt.“

 

 

Berührungen gehen unter die Haut

Berührungen sind so wichtig wie Atmen, Essen und Trinken. Mit Berührungen können Menschen sich ganz für einander öffnen. Wer die Berührung - den Handschlag, die Umarmung oder das Streicheln - zulässt, vertraut dem anderen.

 

Denn mit Berührungen überträgt sich auch eine Energie. Im Altgriechischen, der Sprache, in der das Neue Testament geschrieben ist, heisst das Wort für „berühren“ zugleich auch „anzünden“.

 

Solch eine Energie muss auch der Aussätzige gespürt haben, als Jesus ihm die Hand auflegte. Nicht dass damit die Heilung und das Wunder schon erklärt wäre. Aber die Berührung selbst kann schon Wunder bewirken: ein anderer Mensch ist uns nah, schenkt uns Wärme und sagt uns: Ich bin bei dir. Das ist ein Geschenk. Berührungen können ein Segen sein.