Morgenandacht
Harry Potter
09.03.2016 05:35

In den Harry Potter-Filmen gibt es ein liebenswertes Detail, das ich in mein Leben übernommen habe. Da sind alle Fotos und Bilder beweglich, die Menschen auf ihnen lebendig. Die einen winken heraus und grüßen die Vorbeigehenden. Manchmal fallen die Abgebildeten aus dem Rahmen, wenn man das Bild schief hält. Wieder andere kommentieren das Geschehen aus ihrer Perspektive, geben gar Passworte frei für Türen neben dem Gemälde. Bilder, Fotos, die mit ihrer Umgegend leben.

 

Daran erinnere ich mich, wenn ich zu hause durchs Treppenhaus gehe. Denn da hängt unsere Ahnengalerie und manchmal stelle ich mir vor, auch meine Vorfahren würden mir da zuwinken. So wie bei Harry Potter. Natürlich ist das pure Phantasie. Aber seitdem ich die Filme gesehen habe, begleitet mich dieser Gedanke und ich rede manchmal mit den Menschen unserer Ahnengalerie. Mit dem Urgroßvater, der so gerne Straßenbahn fuhr wie ich. Oder mit meiner Oma, deren Rezepte wir heute noch kochen. Die Menschen vor uns sind so Teil unseres Lebens und irgendwie lebendig.

 

Das erinnert mich an eine schöne Überlieferung im Alten Testament. Zu Zeiten von Abraham und Isaak macht Gott sich diesen bekannt, indem er sagt: Ich bin der Gott deines Vaters, und deines Großvaters. Ein Gott, den schon deine Ahnen kannten und der schon mit ihnen gewesen ist. So wie ich jetzt mit dir bin.

 

Die Religionsgeschichte kann viel sagen über das Gottesbild jener Zeit. In der Sippen in Israel lebten, die einen Stammvater und auch eine Stammmutter hatten. Diese prägten über Generationen eine Familie, . sie blieben lebendig noch lange nach ihrem Tod. Und der Glaube dieser bedeutenden Vorfahren vererbte sich von Generation zu Generation weiter. Dieser Glaube wurde getragen von einem Gott, der sich jedem vorstellte: ich bin der Gott deines Vaters.

 

Starke, freundliche Bilder der Ahnen und ein Glaube, der sich festmacht an deren Weg, an ihrer Liebe und ihren Taten. An dem, was man von ihnen geerbt hat, auch an Wesenszügen. Der ferne Gott wird so nahbarer, freundlicher. Denn wenn schon der Großvater so freundlich und zugewandt gewesen ist und der Vater einen so prägte, wie sehr dann auch ein Gott, der schon der Gott der Väter und Mütter war.

 

Sicher, eine sehr menschliche Vorstellung! Mir hilft dieser Gedanke eines nahen verlässlichen Gottes, um die Erfahrungen meines Lebens einzuordnen, mit Schicksalsschlägen klar zu kommen und Glück zu genießen. Denn wenn ich in der Familie darüber rede, hört der Gott der Mütter und Väter immer zu. Wenn ich an Orte gehe, die in meiner Erinnerung mit Menschen vor mir verknüpft sind, sind mir ihre Bilder vor Augen. Fangen die Ahnen in Gedanken an zu erzählen, von ihren Erlebnissen. Und ich kann etwas von dem Segen mitnehmen, der in ihrem Leben war, mit in mein Leben.

 

Für Harry Potter geht die Verbindung zu den Menschen in den Bildern aber noch weiter. An mehreren Stellen ist es ihm möglich, mit ihnen zu sprechen. Kann er seine schon verstorbenen Eltern befragen und so in seinem Leben weiter kommen.

 

Davon nährt sich meine Hoffnung, irgendwann einmal bei Gott den Menschen zu begegnen, die vor mir gestorben sind. Die ich teilweise noch heute schmerzlich vermisse. Vertraut sind sie mir über die Jahre durch die Bilder an unserer Ahnenwand. Aber dann irgendwann ihnen wieder gegenüberzustehen. Sie wieder zu spüren und ihre Nähe zu erleben … das ist die größte Hoffnung, die ich ans Jenseits habe. An das, was wir Himmel nennen.

 

Ein großes Wiedersehen, mit Hallo und Umarmung. Mit den Menschen, die mir so vertraut sind.