Wort zum Sonntag
Samstag, 10.03.2018, 23:35 Uhr, Das Erste
Pastorin Elisabeth Rabe-Winnen, Lengede
„Heimat“
Die Heimat ist nun Teil des Innenministeriums. Es soll unter anderem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zuständig sein. Darunter fällt auch der Dialog der Religionen.
Heimat - für mich bedeutet das zweierlei: Orte und Gefühle.
Ich denke an meine Heimatorte. An Vörden, wo ich groß wurde. An Bethel, wo mein Studium begann. An Lengede, wo ich Pastorin bin. An die Ostseeküste, an die ich so gerne fahre, mit Windflüchtern und Wellen und Spaziergängen mit dem Hund.
Wichtiger als ein Heimatort ist für mich aber ein Heimatgefühl. Wie im überlangen Wollpullover, den ich im Winter am liebsten anziehe. Und Heimatgefühl ist für mich auch dies: Boden unter den Füßen spüren und wissen „ich bin da, wo ich bin, genau richtig“. Dies Gefühl - verwurzelt zu sein und geborgen - habe ich bei dem Menschen, mit dem ich durch das Leben gehe. Der da ist, in allem, was stürmt, und in allem, was sich wandelt. Und dies Gefühl habe ich bei Gott, der mit mir geht, egal, was ist.
Ich weiß: Der Heimatbegriff ist schillernd und politisch nicht unschuldig. Aber ich will ihn nicht einfach rechts liegen lassen. Dieses Ministerium für die Heimat trifft durchaus einen Nerv dieser Zeit. Jenseits aller Polemik, die ihm entgegenschlägt. Die Welt dreht sich immer schneller. Du kannst jederzeit überall sein. Oder musst es auch. Und du fragst dich: Wer bin „ich“ denn, wer bin ich eigentlich? Inmitten dieser schnellen Welt?
Eine Dame aus unserem Ort floh vor 73 Jahren. Sie konnte kaum etwas mitnehmen: Was aber mitkam, war dies:
Das Bild der Erinnerung an den Garten ihrer Heimat.
Und der Glaube an den christlichen Gott. Dieser Gott hat keinen festen Wohnort. Er beheimatet sich in uns. Die Bibel erzählt es so - er wandert mit seinem Volk. Als Wolkensäule am Tag. Und als Feuersäule bei Nacht.
Die Dame aus unserem Ort. Sie wurde aus ihrer geliebten Heimat vertrieben. Im Garten ihrer Kindheit standen zwei Bäume neben dem Eingang zum Haus, rechts und links, und säumten die Treppe. Dieses Bild hat sie bewahrt und neu verpflanzt in ihren Garten heute.
Und diese Dame kommt regelmäßig in die Kirche. Bis heute. Wie sie es als Kind und Jugendliche in ihrer alten Heimat getan hat.
Dieser Gott, der mit geht mit seinen Menschen, der nicht fest an einen Ort gebunden ist – an solch einen Gott glauben wir Christen und die Juden und die Muslime.
Wie kann ein Land Heimat sein für Menschen mit unterschiedlicher religiöser Heimat?
Und wie kann ein Ministerium dabei helfen?
Mit dem Blick auf das Gemeinsame. Wie im Hinblick auf Muslime, Juden und Christen darauf, dass der eine Gott einer ist, der seine Menschen begleitet, wo auch immer sie sind.
Und zugleich mit der Offenheit für das Fremde. Fremdsein und Heimat sind sich sehr nah. Sie öffnen sich gegenseitig die Tür, um einander zu verstehen.
Vielen Menschen wohnt der Glaube im Herzen, ortsunabhängig. Auf dem Grund des eigenen Heimatgefühls ist es dann möglich, der Fremdheit des Anderen zu begegnen und sie kennenzulernen.
Mir gibt mein christlicher Glaube Wurzeln und Flügel zugleich. So kann ich stehen und gehen. Wo auch immer ich bin.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!
Norddeutscher Rundfunk
Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)