Gesundwerden durch Gerechtigkeit

Wort zum Tage
Gesundwerden durch Gerechtigkeit
20.02.2015 - 06:23
05.01.2015
Ulrike Greim

Nun ist es amtlich: das Zipperlein ist eine ausgewachsene Krankheit. Chronisch. „Noch ein bisschen mehr, und sie können sich einen Schwerbehindertenausweis abholen,“ sagt die Fachärztin etwas burschikos. Ihm bleibt kurz die Luft weg. Das wollte er gewiss nicht hören. Er steht im Leben. Mit beiden Beinen. Firma, Familie, Ehrenamt. Und jetzt das?

 

Großreinemachen ist angesagt, rät ihm dann darauf die Heilpraktikerin. Er wollte es alternativ versuchen. Oh nee, denkt er jetzt. Fasten? Aber seine Frau überredet ihn und fastet mit. Obstsäfte, Gemüsebrühe, Tee. Lass das bloß nicht die Kollegen wissen. Den Spott braucht er nicht. Die Gesundheit schon.

Die Firma muss mal ohne ihn laufen. Er will auch mit dem Smartphone fasten. Aber das klappt nicht so gut.

 

Er lernt einen seltsamen Typen kennen. Ist auch in der Kurklinik. Sie treffen sich bei einem Spaziergang. Er ist kantig aber interessant. Jesaja. Ein Künstlername?

Der redet von Projekten in aller Welt. Wie sie überprüfen, unter welchen Arbeitsbedingungen die Leute leben, die für deutsche Firmen nähen und weben und färben. Wie aus diesem Ehrenamt ein Job wurde. Und aus dem ersten Herzinfarkt eine Erkenntnis. Gesund werden heißt auch: dafür sorgen, dass die gesund bleiben, die für mich arbeiten. Gesunde Geschäftskontakte pflegen. Niemanden übers Ohr hauen. Sich nicht bestechen lassen. Sauber bleiben.

 

Stirnrunzel. Was soll das?

 

„Gesund werden hat nicht nur mit dem Körper zu tun,“ sagt der Wanderer. „Es bedeutet, mit Gott und der Welt wieder ins Reine zu kommen.“ Er zückt sein Handy und sucht etwas im Internet. Dann liest er vor:

„Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem Gott Wohlgefallen hat?

Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!

Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten.“

 

Langes Schweigen. Sollte es tatsächlich einen Zusammenhang geben zwischen körperlicher Gesundheit und dem Job? Der Frage, bei wem ich einkaufe und wer unter welchen Bedingungen für mich arbeitet? Wie abstrus ist das denn? Und wie unkonventionell.

Na gut, er fastet noch zu Ende. Reist gerne und erleichtert wieder ab. Und nimmt aber doch diese Frage mit: Wie geht das: „Freigeben, auf die du das Joch gelegt hast“?

05.01.2015
Ulrike Greim