Gemeinsam an einem Tisch

Gottesdienst Villingen-Schwenningen
Gemeinsam an einem Tisch
Gottesdienst aus der Pauluskirche in Villingen-Schwenningen
07.02.2016 - 10:05

Über den Gottesdienst

„Gemeinsam an einem Tisch“ ist das Motto des evangelischen Gottesdienstes aus Schwenningen. Am Tisch sitzen an diesem Sonntag in der Pauluskirche in Schwenningen die Gottesdienstbesucher wirklich. Festlich gedeckt sind die Tische mit weißen Stofftischdecken, Blumen und Kerzen. Gemeinsam an einem Tisch feiert man aber nicht nur diesen Gottesdienst: Ein großes gelbes Banner vor der Kirche lädt jeden Tag ein zur Vesperkirche. Vom 21. Januar bis 24. Februar können Menschen kommen, die wenig Geld haben oder nicht gern allein essen. In der Kirche sitzen sie miteinander am Tisch. Im vergangenen Jahr wurden 7500 Mittagessen in 4 Wochen ausgegeben.

Im Gottesdienst kommen Mitarbeiter und Gäste der Vesperkirche mit ihren Erfahrungen zu Wort. Die Predigt hält Pfarrer Andreas Güntter in Reimen. Denn am 7. Februar findet im schwäbisch-alemannischen Schwenningen am Nachmittag einer der größten Fasnachtsumzüge der Gegend statt. Es ist Fasnetssonntag, wie die Schwenninger sagen. Freud und Leid, dankbare Lebenslust und die Kümmernisse der Vesperkirch-Besucher liegen ganz nah beieinander. Deshalb hält Pfarrer Andreas Güntter seine Predigt als Narrenpredigt und in Reimen – und greift damit die drängenden Probleme dieser Tage auf. Posaunenchor und Kantorei Schwenningen gestalten den Gottesdienst musikalisch.

Gottesdienst anhören

Predigt nachlesen

Von dieser Kanzel, liebe G’mein,
hört man seit mehr als 100 Jahren,
das Predigtwort, jahraus, jahrein
und hofft, ´s mög’ nicht vergeblich sein
für große und für kleine Scharen.

In protestantischer Manier
– zwanzig Minuten oder mehr –
doziert und lehrt der Pfarrer hier,
‚Gelehrsamkeit ist eine Zier’,
das Zuhör’n, das fällt manchem schwer.

Doch heut am Fasnetssonntagmorgen
wo Schellenklang erfüllt die Stadt,
da woll’n wir uns den Reimvers borgen
um ernst und heiter – ohne Sorgen
zu reden, holprig oder glatt.

Narren sind außer Rand und Band
in diesen Tagen allerorten;
manch Gläubigem missfällt der Tand,
er hebt abwehrend seine Hand
zu Schantle, Hansel und Konsorten:

„Was soll mir all das Narrentreiben?!
Es bringt mich ab vom rechten Weg!
Ich will bei meinem Glauben bleiben,
will mich nur Gott, dem Herrn, verschreiben.
Ihm bin ich treu auf Weg und Steg!“

So spricht er recht, der treue Christ,
und will auf Jesu Wegen gehen.
Doch allzu leicht er eins vergisst,
wie nah und wie verwandt er ist
den Narren, die im Häs wir sehen.

Die Narretei, die macht nicht Halt
an unser’n hölzer’n Kirchentüren.
Sie ist schon hochbetagt und alt,
begegnet uns oft dergestalt,
dass wir es manches Mal kaum spüren.

Da hilft ein Narrenbuch uns weiter
– man kennt’s bei uns vom Straßenrand –
in dem die Narren, durchaus heiter
und doch oft tiefer und gescheiter
– gemalt von meisterlicher Hand –

den Spiegel dem vor Augen halten,
der sich darin erkennen kann
und hinter Skizzen und Gestalten
sich und sein sonderbar Verhalten
entdecken mag, ob Frau, ob Mann.

Ein Blick ins Narrenbuch wird dem erlaubt,
der an der Straß’ beim Umzug steht
und zeigt, dass er der Wahrheit glaubt,
die unverblümt und unverstaubt
aus Kind– und Narrenmund ergeht.

Sollt’ er wohl selbst sich drin entdecken?
– sein Blick schweift über das Papier
des Narrenbuch’s: Wird er erschrecken?
Oder will ihn nur jemand necken
mit diesem Narren–Spiegel hier?

Für uns sei heut in gleicher Weise
des Paulus’ „Hohes Lied der Lieb’“
ein Spiegel, der uns klar und leise
geb’ Ziel und Richtung auf der Reise,
dass Wahrheit sich vor’s Dunkel schieb.

Wir schlagen auf die erste Seite
in unserm „Bibel–Narrenbuch“
auf dass sich unser Blick dann weite
darauf was Segen und was Fluch.

 

 

Lesung aus 1. Korinther 13:

Wenn ich mit Menschen– und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

 

 

Erst wend’ ich uns’rer Kirch’ mich zu,
die wir zur Vesperkirche wandeln,
um hier in Jesu Sinn zu handeln
dass jeder satt werde im Nu:
an Leib und Seel in diesen Tagen.
Lasst uns den Blick darauf nun wagen.

Ich seh’ vor mir ein buntes Bild,
den Eingang ziert ein gelbes Schild
und drinnen herrscht geschäftig’s Treiben.
„Hier darfst du rein, hier kannst du bleiben
für ein paar Stunden oder mehr!“
Ach, wenn’s doch immer Gasthaus wär’!

Da herrscht ein munteres Geplauder
mal eher leis, oft eher lauter,
mit Menschen– und mit Engelszungen
wird da erzählt – und wenn’s verklungen
nach vierstündiger Öffnungszeit
frag ich mich doch: „War ich bereit
mit Liebe denen zu begegnen,
mit Liebe jene noch zu segnen,
die mühsam waren und die rochen,
denen die Not sitzt in den Knochen,
die echt unsre Hilfe brauchen,
die erstmal draußen Eine rauchen...?“

„Ach ja, die Lieb’,“ hör ich mich sagen,
„bekanntlich geht sie durch den Magen...“
wenn da ein gutes Essen duftet,
wenn mancher hier für and’re schuftet,
wenn and’re täglich Kuchen bringen
oder mit Wäschebergen ringen,
wenn Damen Teller balancieren
ohne den Durchblick zu verlieren,
wenn’s Spülbecken fast überläuft,
weil Tellerberge aufgehäuft,
wenn man die Vesperbrote richtet
oder Getränkekisten sichtet,
wenn man nach Kaffee–Nachschub schreit...
dann ist die Liebe doch nicht weit,
ist selbstverständlich mittendrin!
Wem käm’ was andres in den Sinn?

Doch Paulus sagt: “Ich mein ja nur...!
Denn falls von Liebe keine Spur,
dann ist all euer gutes Tun
nur Schellenklang und Narrenruhm!

Die Liebe würzt und krönt das Ganze,
die Liebe führt den noch zum Tanze,
der gar nicht liebenswürdig ist,
vielleicht den Dank auch noch vergisst.
Die Lieb verliert nie die Geduld
wenn hundertmal der andre schuld,
sie wird nicht bitter, – ohne Zweck
reicht Hungernden sie ein Gedeck.
Sie lässt die Hoffnung niemals sinken
auch wenn ihr keine Lorbeer’n winken.
Sie glaubt, sie hofft, sie duldet alles,
sieht von sich ab im Fall des Falles!“

Mal ehrlich, dieser Maßstab ist
zu hoch für uns und jeden Christ.
Wird daran unser Tun gemessen,
dann kannst du es wohl gleich vergessen.

Wer könnte lieben solchermaßen
von uns, die hier beisammen saßen.
Ob Gast, ob Helfer, beide gleich
sind noch entfernt vom Gottesreich
und seiner ungeteilten Liebe,
weh uns, wenn uns zum Trost nicht bliebe
im „Narrenbuch“ das nächste Blatt,
das Paulus aufgeschrieben hat:

 

Lesung aus 1. Korinther 13

Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

 

In aller Unvollkommenheit
schaun wir in unsrer Erdenzeit
in einen Spiegel, trüb und dunkel,
sehn oft nur Nebel, kaum Gefunkel,
sehn unser Stückwerk, unser Hoffen
und alles das, was noch bleibt offen,
was unvollendet, halb nur bleibt
so sehr uns guter Will’ auch treibt.

Die Liebe wollten wir gern leben,
doch innerlich, da spürt man eben
doch noch den Neid, die Kleinlichkeit,
Enttäuschung und Empfindlichkeit,
die Angst und auch die off’nen Fragen,
die irgendwie uns alle plagen,
die unser Erdendasein prägen
solange wir uns hier bewegen.

Doch Gottes Spiegel spiegelt nicht
nur unser halbherzig Gesicht.
Man kann auch durch den Spiegel sehn
wie Gottes Wege weitergehn
und dass Vollkommenheit verheißen,
wenn wir dereinst im Himmel speisen
gemeinsam an dem Tisch des Herrn.
Manchmal denk ich: „Da wär’ ich gern!“
und hoff an Vesperkirchentischen
ein wenig davon zu erwischen.

Zum Dritten wirft der Spiegel Licht
uns auf ein liebend Angesicht,
das einst in unsre Welt gekommen
das Menschenwesen angenommen:
Vollkomm’ne Liebe uns begleitet,
in Jesus, der das Herz uns weitet,
der allen zeigt, dass Gott sie liebt
und uns die Lieb’ ins Herz schon gibt,
den Abglanz der Vollkommenheit
zu tragen hier in unsre Zeit.

In Vesperkirchen, Wärmestuben,
dahin, wo Menschen Hilfe suchen,
zu Sterbebetten, Alten, Kranken
und auch dahin, wo Menschen zanken.
Ins Flüchtlingsheim, wo Menschen eben
– wenn’s gut geht – Menschlichkeit erleben.

 

Denn auch wenn wir noch nicht vollkommen
hat Gott zu Boten uns genommen,
in uns’re kleine Wirklichkeit
ein Stück von seiner großen Zeit
hineinzutragen und zu leben,
von seiner großen Liebe eben.

Doch eins muss ich jetzt doch noch wagen,
von Gottes Liebe euch zu sagen:
Sie ist parteiisch, ohne Frage,
gerät in Wallung, kommt in Rage,
sie widerspricht, ist keine Soße,
die über Kleine, über Große
einfach so ausgegossen würde,
um zu verschleiern manche Bürde,
die Menschen Menschen auferlegen,
wenn ungleich wird verteilt der Segen.

Da heißt uns Gottes Lieb nicht ducken!
Da gilt’s – in Liebe – aufzumucken,
und einzutreten für die Schwachen
auf dass auch jene dann erwachen
die satt oder mit Angst im Innern
sich an ihr Menschsein doch erinnern,
und sich mit denen auch verbinden,
die Heimat suchen hier zu finden,
aus fernem Land hier voller Hoffen.
Es bleibt dabei: die Tür ist offen!
Weil Gott uns Türen offen hält
ganz gleich, ob wir auf dieser Welt
zu den Erfolgreichen gehören
oder zu denen, die verstören,
weil sie uns fremd sind oder arm,
weil tief verschüttet ist ihr Charme.

Und auch wenn’s heikel wird und schwer
weil mancher nur sein Süppchen rührt
und Böses gar im Schilde führt,
dann ist gefordert jeder, der
die grenzenlose Liebe spürt,
mit der Gott allen zugetan.
Gewiss, das heißt auch dann
in strenger Liebe „Nein!“ zu sagen
wenn Menschen Übergriffe wagen
auf Freiheit, Recht, auf Leib und Leben.
Da muss es eine Grenze geben.
Doch die verläuft nicht zwischen arm und reich,
nicht zwischen fremd und eher gleich.
Und jeder Generalverdacht
hat stets nur Unheil mitgebracht.

Verdächtig ist nicht, wer nichts hat,
auch nicht wer wohlgenährt und satt,
sondern wer plötzlich nicht mehr weiß
wie dünn manchmal des Lebens Eis
und wie zerbrechlich jedes Glück...
und wie’s darum ein großes Stück
von tiefer Selbsterkenntnis wär’,
wenn dankbar doch ein jeder, der
voll Schaffenskraft am Leben baut,
auch nach dem Schwachen sich umschaut,
um ihn zu stützen, wo er kann.
Das wäre wahrhaft wohl getan!

Doch jetzt will ich mit meinem Strählen
nicht mehr viel länger euch noch „quälen“,
denn manchen gibt es in der Tat,
der solche Selbsterkenntnis hat,
der eben auch auf seine Weis’
der Liebe Gottes Ehr erweist
und hilft, wo er nur helfen kann,
ganz gleich ob Kind, ob Frau, ob Mann.

Nie wär die Vesperkirch’ geraten
ohne handfeste Liebestaten.
Drum lasst die Lieb uns weiter üben!
Zwar Abglanz nur von dem, was drüben
vollkommen sein wird, ohne Frage,
und was erhellt doch uns’re Tage
und die, mit denen wir das Leben
ein Stück geteilt – vier Wochen eben.

Und lasst uns Gottes Liebe trauen
und unsre Hoffnung darauf bauen,
dass der, der Wasser macht’ zu Wein,
auch dazu wird im Stande sein,
dass unser ausgeteiltes Brot
als Rose blüht, in Liebesrot
und dass Gott seine off’ne Hütte
der Liebe baut in unsrer Mitte.

So enden wir in seinem Namen
auch diese Narrenpredigt. AMEN.