Karfreitags-Gottesdienst aus Salzburg

Gottesdienst Salzburg
Karfreitags-Gottesdienst aus Salzburg
Gottesdienst aus der Christuskirche Salzburg / Österreich
25.03.2016 - 10:05

Über die Sendung

Salzburg ist als Kultur- und Mozartstadt Stadt des Tourismus. „Bühne der Welt“ nennt der offizielle Reiseführer die Stadt. Salzburg ist mit der österreichischen Grenzschließungspolitik zunehmend auch Grenzstadt, Nadelöhr für Flüchtlinge nach Deutschland. Der Gottesdienst aus Salzburg am Karfreitag stellt den Gedanken der Versöhnung als Gefühl und Lebenseinstellung in die Mitte. In der Predigt geht es um Versöhnung, die Wahrheit und Gerechtigkeit braucht. Ohne Versöhnung, so der lutherische Bischof Michael Bünker, „bleiben wir gefangen in den festgefahrenen Gegensätzen, in der Vergangenheit. Festgenagelt.“ Mit Versöhnung öffnet Gott im Kreuz Jesu die Tür zur Zukunft.
So fragt der Gottesdienst danach, was Versöhnung angesichts zunehmender Ängste und Feindseligkeit heißen kann. An Karfreitag zeigt das Kreuz Jesu: „Durch Versöhnung werden tödliche Gegensätze zu einer bereichernden Vielfalt.“
Musikalisch gestaltet wird der Gottesdienst durch den Kantor der Christuskirche, Markus Bunge, sowie den Diözesankantor der Diözese Salzburg/Tirol, Gordon Safari. Als Liturgen feiern den Gottesdienst die Ortspfarrer Tilmann Knopf und Barbara Wiedermann. Die Predigt hält der Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich, Michael Bünker.

 

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Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und von Jesus Christus, unserm Heiland, der für uns gekreuzigt ist.

Liebe Gemeinde hier in der Christuskirche, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, der Karfreitag stellt uns unter das Kreuz Christi. Der Karfreitag ist eine Zumutung, alle Jahre wieder. Was gibt es an diesem Tag zu feiern? Einen zu Tode gequälten Menschen vor Augen, dessen Leben offenkundig gescheitert ist? Gibt es denn nicht schon genug Leid in der Welt, Gewalt und Terror? Habe ich selber nicht schon genug zu tragen?

Für die ersten Christinnen und Christen war das Ende Jesu am Kreuz eine Katastrophe. Sie wussten nicht mehr weiter. Alles schien vorbei. Zaghafte Versuche entstehen, dem Tod Jesu eine Bedeutung, einen Sinn abzuringen. Anstoß dafür war die Erfahrung von Ostern, die Auferweckung des Gekreuzigten durch Gott. Ohne Ostern verstehen wir den Karfreitag nicht. Der Apostel Paulus schreibt über das Kreuz und den Karfreitag und stellt alles unter das eine Wort: Versöhnung. In dem Abschnitt, den wir heute hören, spricht er von dem Neuen, das Gott im Sterben und Auferstehen Jesu begonnen hat. Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth:

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. (2. Kor. 5,17-21)

Soweit die Worte der Heiligen Schrift.

Hier in der Christuskirche in Salzburg ist das Wort von der Versöhnung aufgerichtet unter uns, sichtbar und eindrücklich. Auf dem Altar der Kirche steht ein weißes Kreuz mit angedeuteten Blättern an seinen drei Enden. Es ist der Lebensbaum. Aber nicht nur das Kreuz ist bemerkenswert, sondern vor allem der Christus, der am Kreuz hängt. Er strahlt in hellem Gold. Ich muss gestehen: Das hat mich, als ich es zum ersten Mal sah, irritiert. Georg Trakl, der österreichische Lyriker, ist oft hier, in seiner Kirche, vor diesem Kreuz gesessen. In einem seiner Gedichte, dem „Winterabend“, findet sich die Zeile: „golden blüht der Baum der Gnaden“. Vielleicht hat Georg Trakl mit dem goldenen Baum der Gnade genau dieses Kreuz gemeint. Wenn Sie, liebe Zuhörende, einmal nach Salzburg kommen, dann besuchen Sie doch auch die evangelische Christuskirche, um diesen in Gold strahlenden Gekreuzigten zu sehen. Mit diesem Jesus am Kreuz soll sichtbar sein: Hier ist das Wort der Versöhnung aufgerichtet unter uns. Lasst euch versöhnen mit Gott!

 

Lasst euch versöhnen mit Gott!  Versöhnung geschieht nicht von selbst. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Versöhnung lässt sich auch nicht befehlen und anordnen. Zuerst braucht es einen festen Entschluss, den ersten Schritt zu machen. Ich will über den Graben der Unversöhntheit hinweg meine Hand reichen. Frieden schließen. Versöhnung anbieten. Ich weiß, wie schwer das ist. Etwa in einer zerstrittenen Familie. Oder zwischen Nachbarn, die oft Tür an Tür in unversöhnter Feindschaft leben. Solche Unversöhntheit beruht auch auf der eigenen Unversöhnlichkeit. Aber wer unversöhnlich ist, schadet nicht nur den Anderen, sondern zumindest ebenso sehr auch sich selbst. Weil dadurch die Menschlichkeit, die Grundlage des Lebens miteinander, in Frage gestellt wird. Umgekehrt ist jede gelungene Versöhnung ein Sieg der Menschlichkeit.  Dafür bin ich dankbar. Gerade die Länder Europas sind durch zwei schreckliche Kriege gegangen und haben die Folgen unversöhnter Feindschaft blutig erfahren müssen. Ein Kontinent, der aus Schmerz, aus Blut, Hass, Tränen und Mord geboren wurde. Und doch ist Versöhnung möglich geworden und die Länder Europas haben neu zueinander gefunden.

Für diese Menschlichkeit stehe die vielen Menschen, die sich unverdrossen für andere einsetzen, für Menschen in Not, für Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Aber gleichzeitig werden die Stimmen lauter, die gegen Menschen auf der Flucht hetzen, ihnen mit Ablehnung und oft auch aggressivem Hass begegnen. Die Politik greift zu rechtlich oft fragwürdigen Mitteln, um Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Zäune werden errichtet, offen ist davon die Rede, dass wir eine „Festung Europa“ brauchen. So entstehen unversöhnliche Gegensätze mitten unter uns, aber auch zwischen uns und den Notleidenden, die in Europa Schutz und Aufnahme suchen. Die Grundlagen, auf denen Europa gebaut ist, zu denen die Menschenrechte und dass heilige Recht auf Asyl gehören, dürfen nicht in Frage gestellt werden. In einer Festung, vor deren Schutzzäunen weiterhin Menschen ums Leben kommen, beschädigen wir auf die Dauer unsere eigene Menschlichkeit, unsere eigenen Werte und Überzeugungen wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Mitgefühl. Manchmal – so denke ich mir – bräuchten wir eher Zäune gegen die Unmenschlichkeit und Obergrenzen, um die Hetze und den aufgekommenen Hass auf Hilfesuchende einzudämmen. Und nicht Zäune und Obergrenzen gegen die Menschen auf der Flucht, die doch ein Recht darauf haben, dass ihnen geholfen wird. Wie verzweifelt klingt da die Bitte: Lasst euch versöhnen!

 

Lasst euch versöhnen mit Gott! Gott macht den ersten Schritt. Macht immer den ersten Schritt  und geht auf dich zu. Über alle Gräben der Feindschaft hinweg reicht er seine Hand zur Versöhnung. Paulus schreibt: So bitten wir an Christi statt, lasst euch versöhnen, versöhnen mit Gott. Er kann nichts fordern, befehlen oder androhen, er kann nur bitten. Wie Christus bis heute bittet, als rufe er mir zu: Bitte lass dich versöhnen! Mach deinen Frieden und werde dadurch ein neuer Mensch, offen und bereit für die Zukunft über alle Grenzen, auch über den Tod hinaus. Gott gibt mit Jesus Christus sein eigenes Blut für die Versöhnung. Gottes Liebe leidet Schmerzen. Das Verhängnis, in Unversöhnlichkeit und Unversöhntheit gefangen zu sein, legt sich wie ein Fluch auf jedes Leben. Aber dieser Fluch, dieses Verhängnis ist von uns genommen. Im Kreuz Jesu schreit alles Unrecht, alle Bosheit, die geschehen ist und täglich geschieht, zum Himmel. Gott selbst trägt es und nimmt es auf sich, damit wir davon befreit sind. In alles Nein, von dem unsere Welt so voll, übervoll ist, sagt er im Kreuz Jesu sein großes Ja. Mit Gott versöhnte Menschen sind selbst zur Versöhnung berufen, sind zur Versöhnung bereit und zur Versöhnung fähig.

Ist deshalb das Kreuz hier in der Christuskirche in Salzburg so strahlend weiß und der Gekreuzigte in hellem Gold? Weil im Kreuz Jesu der tiefe Riss der Unversöhntheit, der sich durch jedes Leben und alle Welt zieht, heil geworden ist? Weil der Sieg, das letzte Wort Gott sei Dank dem Leben gehört? Der Karfreitag stellt uns unter das Kreuz. Dort erfahren wir, dass wir befreit und erlöst sind, aufgerichtet und bejaht. Lasst euch versöhnen mit Gott!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.