Oster-Gottesdienst aus Bremen-Oberneuland

Gottesdienst Bremen-Oberneuland
Oster-Gottesdienst aus Bremen-Oberneuland
Gottesdienst aus der Evang. Kirche St. Johann Bremen-Oberneuland
27.03.2016 - 10:05

Über die Sendung

Die Fanfaren des Posaunenchors rütteln wach und sagen es an - Ostern öffnet die Tür in ein neues Leben. Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Mit dem Ostergruß beginnt der Gottesdienst aus der Kirche St. Johann in Bremen-Oberneuland. Im Predigttext berichtet der Apostel Paulus davon: Christus, der Auferstandene, er ist gesehen worden. In der Predigt geht Pastor Frank Mühring dem Gedanken nach, wie Auferstehung für die Menschen geschehen kann. Leise, im Stillen kann sie beginnen. Und sichtbar werden im Leben der Christen, die sich für andere einsetzen. Und für sich selbst entdecken – es lohnt sich, das Leben zu lieben.

 

Die Kirchengemeinde St. Johann besteht seit fast 800 Jahren in Oberneuland, einem grünen Stadtteil am Rande Bremens. Dort mischen sich ursprünglich dörfliche Strukturen mit gutbürgerlicher Lebensweise, das alte Bauernhaus steht gleich neben dem modernen Architektenhaus. Zwischen Tradition und Moderne lebt auch die Kirchengemeinde Oberneuland. 6000 Gemeindeglieder gehören ihr an. Es gibt einen großen Kindergarten, Pfadfindergruppen, Glaubensgespräche für Erwachsene und viele Angeboten für Flüchtlinge wie Sprachkurse und das „Café international“. Fest ist die aktive Gemeinde im Stadtteil verwurzelt. Die Kirchenmusik ist einer der Schwerpunkte in der Gemeinde, hörbar und spürbar im Gottesdienst am Ostersonntag.

 

Sendung nachhören

Wir hören den Predigttext für den Ostersonntag, wie er geschrieben steht im 1. Korintherbrief im 15. Kapitel, die Verse 1 bis 11. Paulus erzählt, wie er die Botschaft, dass Jesus auferstanden ist, erfahren hat.

 

Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe:

 

Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

 

Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.

Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

 

 

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Gemeinde!

 

Auferstehung geschieht leise. Vollkommen lautlos. Bei Albert Schweitzer passiert sie eines Morgens am Schreibtisch. Der Pastor und Theologe hat schon länger den Plan, als Arzt noch Medizin zu studieren und nach Afrika zu gehen. Aber irgendwie schafft er den Absprung nicht. Eines Morgens fällt ihm ein Heft der Pariser Missionsgesellschaft in Hände. Darin wird geklagt, dass es in Gabun, der nördlichen Provinz des Kongo, an Mitarbeitern fehle. Der Aufruf endet mit den Worten: Die Kirche bedarf solcher Menschen, die auf einen Wink Jesu Christi einfach antworten mit: „Herr; ich mache mich auf den Weg“. Albert Schweitzer durchfährt es heiß und kalt zugleich. Das ist der Moment, wo Jesus ihm erscheint. Er verspricht sich selbst: Kein Ausreden mehr. Ich werde nach Afrika gehen um zu helfen. Die Tür zu einem neuen Leben geht für ihn auf.

 

So geschieht Auferstehung. Leise, verborgen. Indem einer aufsteht und den alten Weg verlässt. Allen tödlichen Einsprüchen trotzt, die ihm sagen wollen: Was soll’s, das bringt doch nichts. Auferstehung geschieht da, wo dem Tod in seinen vielen Gestalten widerstanden wird. Der inneren Lähmung, die einen fesselt. Der Mutlosigkeit, die einem einreden will: Hat doch alles keinen Sinn. Ostern wird es dort, wo ein Mensch wieder Sinn im Leben findet. Und das Gefühl hat: Gott ist Leben inmitten von Leben, das leben will. (Das würde ich als Schweitzer-Zitat kenntlich machen.) Der Tod hat keine Chance mehr, mich zu umklammern.

 

Ein neuer Sinn im Leben. Niemand bemerkt zunächst etwas von dieser Veränderung, die in Albert Schweitzer vorgeht. Aber er ist ein anderer geworden. Später wird Schweitzer Medizin studieren und tatsächlich als Urwalddoktor arbeiten. Diesen Morgen, an dem sich für ihn alles entschieden hat, wird er nie vergessen. In seinen Erinnerungen wird Albert Schweitzer später sagen: Das war ein Fingerzeig Gottes. Dass er diesen Aufruf für Afrika gelesen hat. Man könnte auch sagen: Da ist Jesus ihm als Auferstandener erschienen. Er hat seinem Leben neuen Sinn gegeben. Die Sache Jesu wird weitergehen.

 

Ich behaupte: So funktioniert Auferstehung. Sie ist nicht für Jesus, den Gottessohn, reserviert. Sie ist für uns geschehen. Sie geht weiter, indem Jesus sich uns lebendig zeigt. In unser Gewissen hineinredet. Uns ermutigt, ein neues Leben anzufangen. Auferstehung braucht kein festes Datum. Ostern geschieht, wo Jesus uns erscheint und uns auf die Spur eines sinnvollen Lebens bringt. Leise und unspektakulär.

 

 

Auferstehung – leise und unspektakulär? Bei anderen macht die Auferstehung mehr Getöse. Der Evangelist Matthäus bemüht ein großes, lautes Erdbeben. Der Stein vor dem Grab Jesu rollt geräuschvoll zur Seite. Es staubt und knallt kracht.Der Gekreuzigte ist fort. Im Evangelium des Markus erschrecken die Jüngerinnen zu Tode, als sie vor dem leeren Grab ihres Meisters stehen. Sie fliehen von diesem Ort, vermutlich laut schreiend, von Entsetzen gepackt. Bei der Auferstehung aller am jüngsten Tag, so erzählt die Bibel, wird der Ton einer Posaune alle Lebenden und Toten wach rütteln zum ewigen Leben. Dann wird es den Menschen durch Mark und Bein gehen. Alle biblischen Bücher aber sind sich einig: die Auferstehung verändert die bisherige Welt. Sie erschüttert den Tod, der sich in der Welt gern als allmächtig ausgibt. Der immer frech behauptet: Am Ende komme ich und kriege euch alle. Seit Ostern ist der Tod eine gescheiterte Existenz. Er muss abdanken.

 

Paulus setzt leisere Akzente. Er braucht kein Erdbeben und kein leeres Grab als Beweis. Er deutet den Tod Jesu am Kreuz. Ja, Jesus ist gestorben und begraben worden. Und nein, der Karfreitag ist nicht das Ende seiner Geschichte. Das, was vermeintlich ein Ende war, ist seit Ostern ein neuer Anfang. Am dritten Tag ist Jesus wahrhaftig auferstanden. Das glaubst du nicht? Nun, er ist gesehen worden. Auch von mir, schreibt Paulus seinen Lesern. Jesus ist mir erschienen. Jesus lebt. Er lebt weiter in Menschen wie mir, die einen neuen Lebenssinn gefunden haben. Die wieder Mut zum Leben haben. Wer Ostern richtig verstehen will, muss sich bestimmte Leute genauer anschauen. Paulus nennt Kephas, die Jünger, die Brüder und Schwestern in den Gemeinden als Zeugen. Der Tod Jesus am Kreuz hatte sie in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Sie fragten sich. Was bleibt nach diesem Ende? Worin liegt der Sinn? War all unsere Hoffnung umsonst?

 

Doch dann haben die ersten Christen einfach weiter gemacht. Mit dem, was sie von Jesus gelernt hatten. Was er ihnen beigebracht hat, das konnte nach dem Karfreitag nicht völlig sinnlos geworden sein. Er hatte doch gesagt: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ Und das haben die ersten Christen schlicht getan: Armen zu essen gegeben, Fremde willkommen geheißen, für Kranke gebetet, Gefangene nicht vergessen. In diesen Menschen erscheint Jesus uns noch heute. Wir können ihn sehen. Er erscheint uns immer wieder in unterschiedlicher Gestalt. In den Augen aller, die hungrig nach Leben sind. In den Augen der Menschen, die nach einem Sinn dürsten, der über Arbeit und Konsum hinausragt. In den Geschichten jener, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Die fremd sind, aber sich integrieren wollen in unsere Gesellschaft. Es macht Sinn, keinen Menschen zurückzulassen in der Welt des Todes. Der tödliche Stacheldrahtzaun, der uns am Leben hindert, ist durchbrochen. Die Grenze zum Leben ist offen. Auferstehung heißt: die Sache Jesu geht weiter. Durch dich und mich.

 

Die Welt ist mir ein Lachen
mit ihrem großen Zorn;
sie zürnt und kann nichts
machen, all Arbeit ist verlorn.
Die Trübsal trübt mir nicht
mein Herz und Angesicht;
das Unglück ist mein Glück,
die Nacht mein Sonnenblick.

 

Ja, es geht um mich bei der Auferstehung. Um mein Glück. Aber nicht so, dass ich es durch eigene Anstrengung herbeiführen könnte. Indem ich besonders tüchtig wäre im Aufspüren von neuem Lebenssinn. Oder ein besonders eifriger Christ wäre. Paulus hält fest: Ostern bleibt allein Gottes Tat. Gott hat Jesus auferweckt. Gott ruft mich in ein neues Leben. Der Apostel deutet seine Erfahrung von Ostern so: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen.“ Ich bin, was ich bin, allein durch Gottes Kraft, die mich dem Tod entrissen hat. Das ist das Fundament aller Dinge.

 

Letztlich geht es zu Ostern um Sinnfragen, die jeder von uns stellt, sobald er nachdenkt. Auf die Fragen: Was ist der Mensch? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Seit dem Ostermorgen lässt sich sagen: Lieber Mensch, du bist nicht zum Tod bestimmt, sondern zum Leben. Du darfst mehr für dich erhoffen, als was vor Augen liegt. Diene dem Leben.

 

Von einem alten Friedhofsgärtner habe ich gelernt, was Auferstehung bedeutet. Seinen Namen habe ich vergessen. Die Gräber grub er noch wie eh und je mit Schaufel und eigener Hand aus. Er sagte mir: „Wenn ich tief unten im Grab stehe, dann kommen mir manchmal komische Gedanken. Wenn mich die schwarzen Gedanken packen, denke ich: Warum nicht gleich hier unten bleiben? Erde drauf und zu. Weg ist man.“ Von dem Gärtner erzählte man sich, dass ihm schon vor Jahren seine Frau weggelaufen sei. Dass er seitdem einen Hang zum Trinken habe und oft missgelaunt sei. Er sah mich an und sagte in ernstem Ton: „Sie müssen den Menschen sagen, warum es sich lohnt, aus ihren Gräbern wieder auszusteigen.“

 

Tun wir das. Menschen vom lohnenden Leben zu erzählen. Helfen wir denen aus den Gräbern heraus, die sie sich selbst und anderen schaufeln. Einer ist nicht im Grab geblieben! Weil Jesus Christus auferstanden ist, gibt es Gründe, aus den Gräbern aufzustehen. Die Auferstehung liefert uns Gründe, dem Leben mehr zu trauen als den Stimmen, die sagen: „Erde drauf und weg“. Auferstehung bedeutet: das Leben zu lieben und weiterzumachen.

 

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.