Rundfunkgottesdienst 14. 08.

Gottesdienst
Rundfunkgottesdienst 14. 08.
Gottesdienst aus der Ev.-luth. Domkirche St. Blasii zu Braunschweig
14.08.2016 - 10:05

Über die Sendung

Am 12. Sonntag nach Trinitatis, dem 14. August 2016, überträgt der Deutschlandfunk ab 10:05 Uhr einen evangelischen Gottesdienst aus dem Dom St. Blasii in Braunschweig.

Es predigt Landesbischof Dr. Christoph Meyns, Liturgin ist Dompredigerin Cornelia Götz und als Lektor wirkt Prädikant Heiko Frubrich mit. Die Orgel spielt Kantor Witold Dulski, es singt und spielt die Jugendkantorei der Braunschweiger Domsingschule unter der Leitung von Kantorin Elke Lindemann und Eugen Wall am Saxophon.

Der Gottesdienst steht unter dem Titel "Gott suchen. Und gefunden werden." In seiner Predigt geht Landesbischof Dr. Christoph Meyns Möglichkeiten nach, mit Lebenskrisen umzugehen. Wo finden Menschen Halt, wenn sie plötzlich zu Boden gestoßen werden? Wie kommen sie wieder auf die Beine?

Der romanische Dom St. Blasii in Braunschweig ist eine Stiftung Heinrichs des Löwen. Im Herzen der Stadt gelegen ist die protestantische Kathedrale Heimat der Braunschweiger Domsingschule und Bischofskirche der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig. Täglich kommen Hunderte Menschen aus nah und fern in die alte Kirche mit dem berühmten Imervardkreuz und dem großen siebenarmigen Leuchter. Sie wollen im Trubel der Stadt einen Moment innehalten oder besuchen die Andachten, Gottesdienste und Konzerte.

 

Sendung nachhören

 

Predigt zum Nachlesen

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Paulus konnte zufrieden sein. Alles lief nach Plan. Nicht nur bei dieser aktuellen Mission, bei der es galt, ein paar Fehlgeleitete aus dem Verkehr zu ziehen. Die Sache würde sich ohnehin bald erledigt haben. Noch ein paar Wochen oder meinetwegen Monate, dann würde sich keiner mehr erinnern an diese Leute, die einen gewissen Jesus von Nazareth für den versprochenen Erlöser hielten.

Nein, es lief insgesamt rund in seinem Leben. Die Dinge hatten sich über die Jahre wunderbar zusammengefügt. Intelligenz trifft gute Ausbildung, könnte man sagen. Seine Eltern hatten ihm das gründliche Studium der Heiligen Schrift ermöglicht, die Auseinandersetzung mit der jüdischen Tradition und die Kunst der öffentlichen Rede. Und sie hatten dafür gesorgt, dass er außerdem etwas Praktisches lernte, das Handwerk des Zeltmachers. Für alle Fälle. Aber das brauchte er eigentlich nicht. Sein Aufstieg in der religiösen Hierarchie war nur eine Frage der Zeit. Einige einflussreiche Leute waren bereits auf ihn aufmerksam geworden. Wenn er die Sache mit den Anhängern dieses Jesus jetzt noch erfolgreich abschließen würde…

Ja, es lief gerade alles nach Plan.

Dann aber, liebe Gemeinde, kommt es ganz anders. Das Leben des Paulus nimmt eine unerwartete Wendung. Wir haben gehört, wie in der Apostelgeschichte über diese Lebenswende berichtet wird. Paulus selbst fasst zwanzig Jahre später in einem seiner Briefe prägnant zusammen, was ihm damals widerfahren ist: „Ich habe den Auferstandenen gesehen“.

Was ihm dort auf dem Weg nach Damaskus geschieht, ist ein umstürzendes Erlebnis. Im wahrsten Sinne des Wortes. Paulus verliert die Orientierung. Und es dauert einige Zeit, bis er sie wiedergewinnt. Dann jedoch steht ihm sein neuer Auftrag klar vor Augen. Er, der die Jünger verfolgte, ist nun Apostel Jesu Christi. Er hat die Seiten gewechselt. Bis heute verbindet sich mit dem Namen des Paulus sprichwörtlich eine solch umfassende Wende. Jemand ist „vom Saulus zum Paulus geworden“, sagen wir, wenn Menschen ihre Einstellungen grundlegend ändern.

Derart radikale Kehren sind selten. Es muss schon viel geschehen, bevor wir uns von lange vertretenen Meinungen und eingeübten Verhaltensweisen verabschieden. Aber es gibt sie, Ereignisse, die unsere gewachsenen Haltungen grundsätzlich hinterfragen, unsere Planungen über den Haufen werfen und uns zu einer tief greifenden Neuorientierung nötigen.

Niemand sucht sich so etwas aus. Wendepunkte im Leben kommen ungewollt auf uns zu. Wir kennen das aus dem privaten Umfeld oder haben es sogar selbst erlebt. Eine vertraute und jahrelang stabile Beziehung gerät unerwartet in die Krise und zerbricht. Der sicher geglaubte Arbeitsplatz geht plötzlich verloren. Eine Krankheit oder ein Unfall verändern auf einen Schlag alles.

Viele Menschen hier in unserer Region um Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg herum erleben gerade hautnah, was es bedeutet, wenn ein großer Automobilhersteller in die Krise gerät.

Und über das hinaus, was uns persönlich betrifft, haben uns alle die schrecklichen Gewalttaten der letzten Monate erschüttert. Die Terroranschläge in Brüssel, Istanbul und Nizza, in Würzburg und Ansbach, der Amoklauf in München und der Mord an einem Priester in der Normandie lösen Entsetzen, Trauer und Wut aus. Sie stellen unser Gefühl für Sicherheit infrage. Verunsicherung und Angst sind die Folge.

Von Paulus heißt es, dass er zu Boden fiel. Krisen können uns umwerfen. Sie lassen uns sehr elementare Fragen stellen: Warum passiert das ausgerechnet mir? Wo finde ich Halt? Wie geht es jetzt weiter?

 

Warum passiert das ausgerechnet mir? Wo finde ich Halt? Wie geht es jetzt weiter? Solche Fragen stellen wir dort, wo sicher geglaubte Fundamente überraschend brüchig werden.

Liebe Gemeinde, wir entwickeln im Laufe unserer Biografie sehr persönliche Bezüge zu dem, was uns der christliche Glaube bedeutet. Nicht immer lässt sich das leicht in Worte fassen. Aber wenn sie gefragt werden, würden viele vielleicht sagen: Gott ist das Fundament, das mich trägt. Er ist die Liebe, die mich umfängt, auch über den Tod hinaus.

Wir erleben Gott als Kraft, die uns stärkt. Wir erhoffen uns, er möge das Vertraute bewahren und seinen Segen auf unser Leben legen, so wie wir es kennen und schätzen.  

Paulus jedoch erlebt etwas anderes. Ihm wird von Gott genommen, was ihm vertraut war. Sein Leben wird auf den Kopf gestellt und in jeder Beziehung in neue Bahnen gelenkt.

Was Paulus widerfahren ist, regt dazu an, Gottes Wirken nicht nur im Gelingen unserer Pläne zu suchen, sondern auch in Krisen. Wie überhaupt die Bibel wenig von Sicherheit berichtet, viel dagegen von Brüchen und Neuanfängen: die Auswanderung Abrahams, die Verschleppung Josephs nach Ägypten, die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste, das Exil in Babylon, die Nachfolge der Jünger, die Leidensgeschichte Jesu. Immer wieder führt Gott Menschen über den Horizont ihrer bisherigen Erfahrungen hinaus auf ganz andere Wege.

Dabei zeigt sich die neue Richtung, in der es weitergeht, oft nicht sofort. Von Paulus wird erzählt, dass er drei Tage lang nicht sehen konnte und nicht in der Lage war, etwas zu sich zu nehmen. Ob diese Zeitangabe wörtlich zu verstehen ist oder im übertragenen Sinne: Sie zeigt, dass es Zeit braucht, eine Krise zu verarbeiten. Schnelle Lösungen gibt es meist nicht.

Auch bewältigen wir Umbrüche nicht allein. Wir brauchen Menschen, die uns in der Situation des Übergangs Orientierung und Halt geben: Partner, Freunde, Angehörige. Manchmal ist es wie bei Paulus sogar jemand von außen, der sich unserer annimmt, uns zuhört, uns die Augen öffnet und uns Perspektiven aufzeigt. Bei Paulus ist das ein ihm bis dahin unbekannter Mann mit Namen Hananias.

 

Mir persönlich hat in Krisenzeiten geholfen, alles was mich bewegt, im Gebet vor Gott zu bringen und auf das zu hören, was er mir zu sagen hat: in der Auseinandersetzung mit dem Wort der Bibel, einer Liedzeile oder einem Bild, im Hören auf die Stimme des Gewissens, in der Stille des Schweigens. Dazu braucht es Geduld. Es dauert eine Zeit, bis wir uns angesprochen fühlen und Antworten heranreifen, die uns weiterhelfen. Es gilt, beharrlich zu sein und im Sinne der Bergpredigt immer wieder anzuklopfen, bis uns aufgetan wird.

Paulus konnte schließlich für sich klären, was aus seiner umstürzenden Erfahrung für sein Leben folgen sollte. Er setzte sich fortan mit ganzer Kraft für die Verkündigung des Evangeliums ein. Dabei wirkte er über den engen Bereich Israels hinaus. So legte er die Grundlage für die Ausbreitung des Christentums in Europa. In der späteren Rückschau schreibt er von der Gnade, die ihm damals auf dem Weg nach Damaskus widerfahren war, zu einem Zeitpunkt, als doch gerade alles so wunderbar nach seinem eigenen Plan zu laufen schien.

 

Ich vertraue darauf, dass dies auch für uns und unsere Welt gilt. Aus den Umbrüchen, den Krisen und den erzwungenen Neuanfängen, an denen wir leiden, wird mit Gottes Hilfe am Ende etwas Gutes erwachsen.

 

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.