Aus eins mach drei, aus drei mach eins

Feiertag
Aus eins mach drei, aus drei mach eins
Vom Geheimnis der Trinität
22.05.2016 - 07:05
21.05.2016
Pfarrer Jörg Machen

Über die Sendung

Gott ist Drei… in Einem? Die Dreifaltigkeit bleibt ein Geheimnis. Aber man kann diesem Geheimnis etwas auf die Spur kommen. Auch indem man davon erzählt, was einem die Vorstellung eines trinitarischen Gottes persönlich bedeutet.

 

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„Und“, fragt der Professor den Theologiestudenten am Ende einer schlechten Prüfung, „können sie denn wenigstens die Dreifaltigkeit erklären?“ – Da strahlt der Student und meint: „Na, wenigstens das kann ich! Also, die Dreifaltigkeit kann man so erklären...“ – Worauf der Professor ihn unterbricht: „Das tut mir leid, aber sie sind durchgefallen. Die Dreifaltigkeit kann niemand erklären.“

 

Eine erschöpfende Erklärung, inwiefern der Gott der Christen gleichzeitig Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, werde auch ich hier nicht liefern. Aber ich werde davon erzählen, in welcher Weise mich die Vorstellung eines trinitarischen Gottes inspiriert und wie sie mir hilft, menschlich von Gott zu reden. Denn das ist die exklusive Botschaft des christlichen Glaubens, dass wer dem Menschen Jesus begegnet, Kontakt zu Gott hat und dass diese Begegnung durch den Heiligen Geist auch heute geschieht.

 

Wohin es allerdings führen kann, wenn man aus dem Angebot, Gott trinitarisch zu denken, ein starres Dogma macht, zeigt der Ketzerprozess gegen Michael Servetus Mitte des 16. Jahrhunderts. Dabei nahm Servetus nur das Credo der Humanisten ernst: „Zurück zu den Quellen!“ Er forschte in der Bibel und da er darin keine hinreichende Begründung dafür fand, dass Gott als eine Wesenheit in drei Personen aus Gott-Vater, Sohn und Heiliger Geist zu denken sei, verwarf er die Trinitätslehre der Kirche. Im Jahre 1553 landete der humanistische Gelehrte aus Spanien in der evangelischen Stadt Genf auf dem Scheiterhaufen. Der große Theologe und studierte Jurist Johannes Calvin zog im Hintergrund die Fäden und der Feingeist Philipp Melanchthon klatschte aus Wittenberg Beifall. Das ist ein eindrückliches Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Motive des Glaubens veräußerlicht werden und sich zu Glaubenswahrheiten verfestigen, denen man bei Strafandrohung folgen muss.

Zunächst einmal ist Servetus darin Recht zu geben, dass das biblische Fundament der Trinitätslehre schwach ist. Wenn ich Calvin und Melanchthon dennoch folge und von Gott als dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist spreche, so deshalb, weil es mir hilft, von Gott als einem lebendigen Gegenüber zu reden. Die eigentliche Anmaßung ist nicht, dass wir trinitarisch von Gott reden, sondern wenn wir über Gott reden, so als würden wir über „etwas“ sprechen, wie über ein Ding, einen Gegenstand unter Gegenständen. Die Bibel dagegen erzählt von Gott, sie spekuliert nicht über ihn, so auch im Buch Exodus.

 

„Mose hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand. (2. Mose 3,1-8)“

 

Der Gott des Volkes Israel stellt sich Mose nicht mit Hoheitstiteln vor, sondern verweist auf die gemeinsame Geschichte. Gott begleitet sein Volk seit Generationen, er ist es, der seine Leute aus der Sklaverei erretten wird. Doch diese Auskunft ist zugleich eine Verweigerung. Einen Namen, mit dem man ihn fixieren und greifbar machen kann, gibt er nicht preis. Diesen Mangel spürt Mose und hakt nach.

 

„Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt. (2. Mose 3,13-14)“

 

Dieser Gott will sich unaussprechlich machen. Er ist ein Gott in Bewegung, ein Gott, der da war und der in Zukunft da sein wird, ein Gott, der sich nicht in Definitionen pressen lässt. An diesem Gott finden Grübler und Philosophen, Träumer und Dichter Gefallen, ängstliche Gemüter verunsichert eine solche Selbstauskunft. Irgendwann steht dann doch ein Name für Gott in den Heiligen Schriften: JHWH, nicht etwa Jahwe, wie manche zu lesen sich angewöhnt haben. JHWH – unaussprechlich soll der Name Gottes sein. Nichts, was einem leicht über die Zunge kommt.

 

Israel hat sich schwer getan mit dem Gottesnamen. Und In dieser Tradition ist Jesus aufgewachsen. Die Ehrfurcht vor dem Gottesnamen war ihm eine Selbstverständlichkeit. Den Namen Gottes nicht zu missbrauchen hieß nicht nur, die kleinen und großen Betrügereien im Namen Gottes zu unterlassen, es hieß auch und vor allem, die Unverfügbarkeit Gottes zu respektieren.

Doch nun beobachten wir bei Jesus etwas ganz Ungewöhnliches, trotz aller Ehrfurcht nennt er diesen geradezu unaussprechlichen Gott Vater, er nennt ihn sogar ABBA, lieber Vater. So redet man den Vater im Familienkreis an. Abba heißt wörtlich Papa. Wenn Jesus so redet, drückt das große Nähe und uneingeschränktes Vertrauen gegenüber seinem Schöpfer aus. Wenn Jesus Gott Abba nennt, dann liefert er mit diesem Wort keine Gottesdefinition, sondern er beschreibt eine Beziehung, eine Beziehung wie sie intensiver nicht denkbar ist. Genau das aber ist der Grund dafür, dass dieses Gottesbild auch negative Empfindungen auslösen kann, so wie bei dieser jungen Frau (die sagt):

 

Das Vaterunser kann ich beten. Beim Credo, dem Glaubensbekenntnis, steige ich innerlich aus, da wird mir heiß und kalt und ich könnte wegrennen. Gott der Vater, der Allmächtige. Genau so hat er sich immer aufgespielt und so habe ich ihn auch empfunden. Meine ganze Kindheit war geprägt von einem Vater, dem Allmächtigen, der mir den Himmel verstellte und mir die Erde zur Hölle machte. Vater unser im Himmel kann ich sagen. Das ist ein anderer Vater für mich, ein sanfter Vater, einer der es gut mit mir meint. Dieser Vater vergibt und rät mir, es ihm gleichzutun. Er kümmert sich darum, dass ich etwas zu essen habe, welch eine Wohltat. Ja, diesen Vater hätte ich gern gehabt. Ich habe immer gewusst, so muss ein Vater sein. Mein Vater war eigentlich kein Vater. Er war der Allmächtige. Allmacht verschreckt mich. Die wird missbraucht, ich habe es nie anders erlebt. Selbst Gott ist in die Allmachtsfalle getappt, als er mit der Sintflut eine Riesenkatastrophe anrichtete. Er hat es bereut, glaube ich, aber das nützte den ersoffenen Menschen und Tieren wenig. Ob er sich damit von der Allmacht verabschiedet hat, weiß ich nicht.

 

Viele Menschen in unserer Kultur empfinden es als Mangel, dass der trinitarische Gott nur mit männlichen Attributen daher kommt: der Vater, der Sohn, der Heilige Geist. Manche sehen darin einen wesentlichen Grund, dass Maria als die Mutter Jesu nicht nur im katholischen Milieu eine fast gottgleiche Stellung einnimmt. Sie besetzt gewissermaßen die Leerstelle in der Trinität.

Sucht man nach dem Ursprung der Rede vom Heiligen Geist, so findet man in der hebräischen Bibel die Ruach, ein Wort mit weiblichem Artikel, das Geist, Atem, Windhauch heißen kann. Ein onomatopoetisches Wort, das heißt, der Klang des Wortes steht für seine Bedeutung, es bildet gewissermaßen das Geräusch des Atems oder des Windes nach. So müssten wir eigentlich vom Vater, vom Sohn und von der Heiligen Geistin sprechen. In manchen christlichen Gemeinden wird so gebetet, um die Weiblichkeit der heiligen Geistkraft deutlich zu machen Doch vor dem Missverständnis einer reinen Männerherrschaft ist man geschützt, wenn man den trinitarischen Gott so eindeutig als Liebe beschreibt, wie es im ersten Johannesbrief geschieht:

 

„Keiner hat Gott je gesehen. Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns zur Vollendung gekommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat. Und wir haben geschaut und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt. Geliebte, lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott gezeugt und kennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe. (1. Johannesbrief 4,12-14+7-8)“

 

In der Liebe sind Vater, Sohn und Heiliger Geist untrennbar miteinander verbunden und in der Liebe geben sie uns den Schlüssel zum Verständnis der Welt. Der jüdische Philosoph Martin Buber sprach vom dialogischen Prinzip und meinte, dass wir immer auf Beziehung hin leben – in Beziehung zu den Menschen, zur Natur, aber auch zu Gott. Die Trinitätslehre behauptet nun, dass Gott in sich selbst Beziehung ist und dass er sich gerade darin als lebendig erweist. Gott ist in seiner Liebe allmächtig, doch durch die Liebe setzt Gott sich Grenzen, so dass seine Allmacht niemals zur Willkür verkommt.

 

Im Hinduismus finden sich Vorstellungen, die in sehr direkter Weise an die christliche Trinität erinnern.

 

Der hinduistische Begriff heißt Trimurti, er kommt aus dem Sanskrit und kann mit „drei Formen“ übersetzt werden. Es handelt sich dabei um ein Konzept, das die Vereinigung der drei kosmischen Funktionen umfasst: die Erschaffung, die Erhaltung und die Zerstörung beziehungsweise Umformung. Dabei steht Brahma für den Schöpfer, Vishnu für den Erhalter und Shiva für den Zerstörer. Trimurti symbolisiert dabei den unauflösbaren Zusammenhang aller drei Aspekte, die sich gegenseitig bedingen und ergänzen. Ein Hindu würde es ablehnen dabei von Polytheismus zu sprechen, alle drei repräsentieren zusammen das gestaltlose Brahman, das die schöpfenden, erhaltenden und zerstörenden Aspekte dieses höchsten Seienden ausdrückt.

 

Auch wenn Trimurti mit seiner Dreizahl an die Trinität erinnert, fehlt im hinduistischen Konzept die zentrale Rolle der Liebe, die im Christentum die entscheidende Verbindung bildet, wenn wir von Gott als dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist sprechen.

Dass wir in der Welt der Religionen Anknüpfungspunkte für die christliche Rede von der Trinität stoßen, mag erwartbar sein, dass wir aber in der modernen Kommunikationswissenschaft auf ein Modell stoßen, das an Überlegungen anknüpft, die einem Theologen aus der Trinitätslehre vertraut sind, muss erstaunen. Ohne sich freilich auf theologische Quellen zu beziehen, hat der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun seine Vorstellung vom Inneren Team entwickelt. Damit will er die Kommunikationsvorgänge eines Menschen in Entscheidungssituationen deutlich machen.

 

Das Innere Team ist ein anschauliches Persönlichkeitsmodell, um uns selbst besser zu verstehen. Die Pluralität des menschlichen Innenlebens wird darin mit der Metapher eines Teams und seines Leiters dargestellt. Das soll die Selbstklärung in zwiespältigen Situationen unterstützen und damit die Voraussetzung für eine klare und authentische Kommunikation nach außen bieten.

Ausdrücklich stellt das innere Teammitglied keine von Neurologen bestätigte Realität dar – es handelt sich um eine Metapher, die sich in der Selbstklärung als nützlich erwiesen hat. Jedes innere Teammitglied soll dabei eine Dimension im Antrieb eines Menschen darstellen. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, den verschiedenen, einander durchaus auch widersprechenden Bedürfnissen – wie Sicherheit, Abenteuerlust, Ruhe, Anerkennung – Raum zu geben. Jedes Teammitglied will aber immer nur das Beste für den Teamchef.

 

Wenn Schulz von Thun über diesen miteinander kommunizierenden Teammitgliedern einen Chef setzt, der dafür sorgt, dass die Person nicht beschädigt wird, so wäre dieser Teamchef, von der Trinitätslehre her gedacht, die Liebe. Nur der Liebe wohnt diese ordnende und verbindende Kraft inne. Die Liebe ist die oberste Instanz; sie sorgt dafür, dass die Person in diesem dynamischen Geschehen nicht beschädigt wird und dass das Team gut zusammen funktioniert.

 

Im Mittelalter wurde nicht allein von der Kanzel verkündet, was Trinität bedeutet. Auch bildhafte Darstellungen sollten den Menschen vermitteln, was es mit dem dreieinigen Gott auf sich hat – wie beispielsweise die Glasmalerei im Erfurter Augustinerkloster. Die Fenster im Chorraum der Kirche zeigen Szenen aus dem Leben des Ordensgründers Augustinus. Über diesen Lebensstationen ist die Darstellung des dreieinigen Gottes zu sehen. In einer Art Rosette sind der Vater, der Sohn und der Heilige Geist dargestellt. Immer wenn Luther in seiner Zeit als Augustinermönch die Messe las und in der Nische der Priester Platz nahm, hatte er dieses Bild vor Augen. Das mag sein Bild der Trinität beeinflusst haben, in jedem Fall kann es dazu dienen, gängige Missverständnisse zu vermeiden und wichtige Akzente zu setzen.

 

Gott thront hier nicht unangefochten über allem. Im Gegenteil, er sieht verletzlich aus. Mit leerem Blick und schmerzverzogenem Mund sieht er den Betrachter an. Das Missverständnis, der Sohn hätte sterben müssen um ihn zu versöhnen, kann so nicht aufkommen. Vater und Sohn sind auf das Engste miteinander verbunden. Gott Vater hält den Sohn und ist mit ihm im Schmerz vereinigt. Beide erleiden sie die Ablehnung der Welt, beide sind sie Opfer der Lieblosigkeit der Menschen. Und beide zeugen sie davon, dass nur die Liebe die zerstörerische Angst der Menschen überwinden kann. Der Heilige Geist ist hier durch eine Taube dargestellt, die senkrecht von oben herabfliegt. Sie scheint das Bild zu durchstoßen, sie kommt aus himmlischer Höhe und ist auf dem Weg nach unten. Die Taube, die heilige Geistkraft ist nicht aufzuhalten und wird die Botschaft von der unzerstörbaren Liebe von Gott Vater und Sohn auf die Erde bringen.

 

Das ganze Geschehen ist in einen Kreis gefasst, der kein oben und kein unten hat. Im Kreis gehören Vater, Sohn und Heiliger Geist gleichberechtigt zusammen. Im Kreis kann man seine Betrachtung an jeder beliebigen Stelle ansetzen. Der Kreis steht für die Dynamik des Gottes, der die Liebe ist. Dieser Gott lässt sich nicht fixieren, er begegnet immer wieder neu als Vater, Sohn und Geist.

„Gottes Sein ist im Werden!“ Dieser wunderbare Satz stammt von dem Theologen Eberhard Jüngel. Gottes Sein ist im Werden – dafür vor allem steht die Trinität. Der dreieinige Gott liebt, er ist lebendig, er ist nicht auf ein paar Hoheitstitel festzulegen. Und gerade so bleibt dieser Gott immer auch ein Geheimnis, dem man weiter nachspüren möchte, wenn man ihm einmal begegnet ist.

21.05.2016
Pfarrer Jörg Machen