Passionsgeschichte in Holz

Feiertag

via wikicommons

Passionsgeschichte in Holz
Die Gethsemaneskulpturen von Wilhelm Groß
21.02.2016 - 07:05
10.02.2016
Gunnar Lammert-Türk

Über die Sendung

Für den Bildhauer Wilhelm Groß (1883-1974) wurde seine Kunst zur Verkündigung. Das zentrale Thema war die Passion Jesu, vor allem der Gebetskampf in Gethsemane. Groß wurde zu dem Künstler der Bekennenden Kirche.

 

Sendung anhören

 

Sendung nachlesen

Uwe-Karsten Groß: Wir hatten ja ganz in der Nähe das Gut Luisenhof, in dem ein großer Waldteil auch enthalten war, und dann gingen wir dort hindurch und plötzlich blieb er stehen: Schau Dir diese Blüte an, diese wunderbare kleine Blüte, was ist das für ein Geschöpf des Himmels. Und dann gingen wir weiter, ich versuchte mich zu öffnen, auch für die anderen Dinge, und da sagte er plötzlich: Schau mal nach oben. Und da war also ein solch massiver Gegensatz zu dem klei-nen Blümchen, der mich erschütterte fast. Sagte also: Was sieht der Vater dort plötzlich für eine tragische Gestalt?

 

So erging es Uwe-Karsten Groß, dem Sohn des Bildhauers Wilhelm Groß, oft. Wenn er mit seinem Vater nahe Oranienburg spazieren ging, wies der ihn auf zarte, berückende Details hin. Und während der Sohn versuchte, sie auf sich wirken zu lassen, sah der Vater plötzlich etwas Überwältigendes, Dramatisches in einer Naturerscheinung. Das verstörte den Jungen. Und der Vater war ganz gefangen von seinen Gefühlen aufgrund dessen, was er geschaut hatte. Häufig fand Wilhelm Groß in Naturphänomenen, bevorzugt in Bäumen, die Gestalten seiner Skulpturen vorgeprägt. Bibelgestalten sah er darin. Nicht irgendwelche, sondern hoch dramatische, durch eigenes Tun Erschütterte wie den Brudermörder Kain und von heiligem Zorn  Entfachte wie den Bußprediger Amos. Über die Entstehung seiner eindrücklichsten Amos-Skulptur berichtete seine Frau Frieda in den Erinnerungen, die sie für ihre Kinder und Enkel festgehalten hat:

 

Vater erblickte in einem großen alten Ahorn in der Nähe der Werkstatt an der Chaussee wach-send eine Figur mit empor gerissenen Armen und kopfartiger Stammverdickung. Sie sah ihn jedesmal an, wenn er daran vorbeiging; er hat mich des Öfteren darauf aufmerksam gemacht. Es bestand absolut keine Aussicht, den Stamm etwa aus der Baumreihe herauszunehmen und zu erwerben. Da riss ein gewaltiger Herbststurm gerade diesen Baum um, und Vater konnte ihn für wenig Geld vom Forstamt kaufen. Er wurde mit einem Trecker vor die Werkstatt gezogen und dann entstand in jahrelanger Arbeit die darin erblickte Figur, der Amos.

 

Was Wilhelm Groß in Baumformen fand, hatte er zuvor schon geschaut. In intensivem Studium der Bibel, ihrer Worte und Gestalten hatte er diese in seinem Inneren ausgeprägt, sie geradezu eingesogen, in sich gekerbt, wie er sie dann in das Holz der Bäume kerben würde.

In harter körperlicher und geistig-seelischer Arbeit rang er sie dem Material ab. Was er zuvor innerlich erfahren hatte, setzte er äußerlich um. Man kann sagen, er erlitt seine Skulpturen.

 

Eine immense körperliche und geistige Arbeit konnte dieser schlanke, nur mittelgroße Mann leisten. Er war mit großer Hingabe, ja Manie dabei. Ich erinnere mich, ihn fast völlig entkleidet arbeiten gesehen zu haben, der Schweiß rann ihm vom Körper.

 

So erinnert sich Wilhelm Groß’ Frau Frieda an sein Ringen um die Figur des in Gethsemane im Gebetskampf knienden Christus. Geschaffen von 1920 bis 1922 für die Berliner Gethsemane-Kirche, wo sie heute noch steht, als Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Zur Entstehung dieser Figur kennt Manuela Vehma, die Leiterin des Museums in Oranienburg, dem Lebens- und Arbeitsort des Künstlers, die genaueren Umstände:

 

Manuela Vehma: Wilhelm Groß hat zunächst ein kleines Modell von dieser Figur gemacht und hat es der Kirchengemeinde vorgestellt. Die Kirchengemeinde lehnte diesen Christus ab, sie wollten keinen knienden Christus und keine Geringere als Käthe Kollwitz hat sich dafür eingesetzt, dass die Figur zur Ausführung kam. Es gibt einen Briefwechsel zwischen Käthe Kollwitz und  Anne Wendland, wo Käthe Kollwitz sich dafür einsetzt, dass Wilhelm Groß den Auftrag erhält und dass die Plastik zur Ausführung kommt.

 

Anne Wendland war die Frau des Pfarrers Walter Wendland, der den Auftrag für die Skulptur erteilt hatte. Ihr Einsatz und der der gestandenen Künstlerin Käthe Kollwitz waren nötig, denn die Gemeinde sah in Wilhelm Groß’ Arbeit zunächst eine Gotteslästerung. Zu ungewöhnlich waren der Ausdruck und die Art der Gestaltung. Aber der Künstler konnte die Gemeinde dann doch von der Skulptur überzeugen. Und in Berlin wurde sie in der Presse als eine Besonderheit gewürdigt. Am siebten Januar 1923 stand in der Vossischen Zeitung:

 

Über alle Konvention hinaus ist seine kniende Erlösergestalt zu einem ergreifenden Sinnbild qualvollen Ringens gesteigert. Mit ausdrucksstarker Bewegung ward das Haupt in sehnsüch-tigem, bittendem Schmerz nach oben gereckt, so dass der Hinterkopf fast auf die Schultern zurücksinkt, und – dies kühne plastische Motiv presst den Geist dieses Werkes am sinnfäl-ligsten nach außen – die Halsmuskeln in schwellender Gedrungenheit hervortreten. Aller innerer Kampf ist hier gesammelt.

 

In ihrer expressionistischen Wucht, die das Ausmaß der Verlassenheit und den Kampf um die Annahme der Kreuzesmarter fast skandalös auslotet, war die Figur eine Zumutung. Der brutal nach hinten gedrückte Kopf des Betenden zeigt die Gewalt, mit der das Leid ihn bedrängt. Sein kantiges Kinn ist trotzig vorgestreckt, der Mund so zusammengepresst, dass man meint, die in Schmerz und Anstrengung aufeinander mahlenden Zähne zu sehen. Oder zu spüren.  Als Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges war sie ebenso ungewöhnlich wie die Mahnmale von Barlach. Aber gegenüber der Gesammeltheit der Barlachschen Figuren sind die von Wilhelm Groß ausgreifend und wild, wie der evangelische Pfarrer und Kunsthistoriker Curt Horn bemerkte:

 

Bei Groß werden die Köpfe und Glieder seiner Plastiken von einer ungeheuren Zentrifugal-kraft bewegt, so dass sie den Körper fast zerreißen und wie selbstständig handeln möchten. Großens Dynamik ist dramatischer Natur, spannt die Körper von innen nach außen, und wer über den leidgespannten Rücken des Gethsemane-Christus fährt, fühlt ihn wie einen Bogen, von dem ein Pfeil mitten in Gottes Herz fliegt.

 

 

Als Wilhelm Groß die Gethsemane-Figur vollendete, war er 39 Jahre alt. Er hatte in Berlin bei gestandenen Bildhauern wie August Gaul und Louis Tuaillon gelernt und war hier auf die künstlerische Avantgarde der Zeit gestoßen. Max Liebermann und Max Beckmann erkannten sein Talent und förderten ihn. 1908 ermöglichte ihm ein „Villa Romana“ Preis für zwei Bronzeskulpturen einen längeren Aufenthalt in Italien. Bis zum ersten Weltkrieg schuf er formschöne klassizistische und naturalistische Skulpturen, deren Oberfläche glatt und geschmeidig war: Porträtköpfe, Diskuswerfer, Frauengestalten, einen Mann, der eine Sichel dengelt. Christliche Themen waren die seltene Ausnahme und bewegten ihn nicht sonderlich. Mit dem Beginn des ersten Weltkriegs gab es einen Bruch. Im ersten Kriegsjahr notierte er:

 

Die Tatsache, dass wir in den Weltkrieg geführt sind, hat mit fast zwingender Notwendigkeit das Fragen und Suchen nach dem letzten Sinn des Daseins dieser urältesten Frage des Men-schengeschlechts mit besonderer Vehemenz hervorgebracht. Dem Menschen sind – wenn wir von dem lauten Getöse der Stimme des Tages absehen – alle bisher scheinbar ganz feststehen-den Stützen genommen. Der Tod lässt seine mörderische Sichel nicht ruhen. Die bildende Kunst ist von  jeher ein Mittel gewesen, das auszudrücken, was im Innersten des Menschen lebt an Sehnsucht nach einem besseren Dasein, ein stets in neuer Weise wiederkehrender Ver-such, das ‚paradiso perduto’, das verlorene Paradies, wieder zu gewinnen.

 

Wegen eines Herzleidens blieb Wilhelm Groß der Einsatz als Soldat erspart. Aber seine bisherige Existenz war zerbrochen, wie sein jüngster Sohn Uwe-Karsten beschreibt, ...

 

Uwe-Karsten Groß: ... sodass er in dieser Zeit nicht arbeiten konnte, sondern er hat vier Jahre lang ausschließli-ches Bibelstudium getrieben. Freunde von ihm, auch aus der gleichen Rubrik ... der Kunst, haben ihn für versponnen und für wahnsinnig fast gehalten, weil sie sagten, der Mann hat einen Spleen, dass er da aufhört zu arbeiten. Das heißt, die Dinge müssen sich in der inneren Emotionalität dieser Phase so aufgestaut haben bei Vater und in ein Verhältnis gebracht worden sein zu diesen Texten, dass er nach dem Kriege dann tatsächlich sich ausschließlich in dieser Kunst, in dieser Aussagekraft auswirken konnte und musste.

 

Dem ging im ersten Kriegsjahr eine tiefe Erschütterung voraus, die sich vermutlich länger schon innerlich vorbereitet hatte. Der musikalisch begabte Künstler improvisierte, ohne Noten zu kennen, gern auf dem Klavier. Bei einer dieser Gelegenheiten hatte er ein ungewöhnliches Erlebnis, das seine Frau aus der Erinnerung so wiedergab:

 

Eine ganz große Freude erfüllte ihn plötzlich, ein mystisches, Körper, Geist und Seele gleich-zeitig ergreifendes, totales Geschehen, das ihm einbruchsmäßig aus einer anderen Dimension widerfuhr. Es war ein Brausen aus einem Sein, das außerhalb des Biologischen, Gegenständ-lichen, Sichtbaren existiert, es nahm ihn in Beschlag und erfüllte ihn. In die Enge eines klei-nen geschichtsgebundenen menschlichen Einzellebens brach es ein als ein Tiefenschichter-lebnis mit verborgener Hoheit und Gewalt. Von da ab war die Gewissheit: Gott ist bei dir, in dir, um dich; du bist erfüllt von ihm, unverlierbar. Diese Gewissheit hat ihn nie verlassen bis in die Todesstunde.

 

 

Die Erschütterung durch den Krieg und sein sonderbares ergreifendes Erlebnis hatten Wilhelm Groß verändert. Auch andere Künstler verarbeiteten die Schrecken des Krieges, indem sie Christus und christliche Themen zum Sujet ihrer Arbeiten machten, aber keiner so radikal wie er, der nach dem Krieg kaum noch andere Gegenstände wählte. Seine Figuren zeigten nun seelische Anspannung, die Darstellung wurde zum Ausdruck innerer Kämpfe, Sehnsüchte und Nöte. Das Material, nun nahezu durchgängig Holz, wurde nicht mehr geglättet, es blieb rau und zeigte die Spuren des Meißels, die Form der Skulpturen wurde elementarer, kraftvoller, schroffer. Der Gethsemane-Christus war der erste Beleg dafür.

Der Pfarrer der Bekennenden Kirche Martin Fischer bemerkte dazu:

 

Aus dem Gefilde des Fraglos-Schönen mit der heilig-unheiligen Wehmut alles Vergängli-chen war er vertrieben. Das hielt nicht stand. Wo es nicht platt abgemalt und nachgebildet war, da hatte es Opium in sich: betörend in der berauschenden Schönheit des Verwesenden. Daneben schrie das Sterbende, Entrechtete, Vergessene, Schuldige. Daneben kämpfte Gott um Menschen, daneben stand das Kreuz als die Summe aller Wahrheit, aller christlichen Bemühungen um die Welt, alles notwendigen Leidens an falscher Frömmigkeit und alles Missbrauchs des Namens Gottes. Alle Linien seiner Arbeit enden deshalb am Kreuz.

 

Kunst war für Wilhelm Groß fortan Verkündigung. Sein großes Thema wurde Jesu Passion, bevorzugt sein Gebetskampf in Gethsemane. Das Ringen Jesu mit Verlassenheit und Todesangst stand für das Ringen des Menschen um Gott und sein Ringen um sich selbst, um sein Menschsein, seine Fähigkeit zum Mitfühlen, zur Wahrheit, zum Einsatz für andere. Jesu Ringen war aber auch eine Chiffre für das Elend des Menschen und seine Sehnsucht nach Befreiung daraus. Mit dem neuen Thema hatte Wilhelm Groß auch seine eigene künstlerische Sprache gefunden. Eine durchaus moderne Sprache. Es schien zunächst, dass der gut ausgebildete, von namhaften Künstlern geschätzte und geförderte Bildhauer so auch öffentlich Anerkennung finden und von seiner Kunst leben könnte. Aber es kam anders:

 

Einen Aufruhr verursachte die plastische Gruppe, ebenfalls in Holz, überlebensgroß Christus und zwei schlafende Jünger, der Öffentlichkeit dargeboten in der Ausstellung der Akademie der Künste in Berlin 1934. Es wurde von der Kunstkritik als das hervorragendste Werk bezeichnet und euerm Vater eine ganz große Zukunft als Plastiker vorausgesagt. Im Gegen-satz zu den bis dato noch ganz unvoreingenommenen Kunstkritikern, die nur nach der Qua-lität des Werkes sich richteten, wurde sie von den hitlerschen Herrenrassengläubigen abge-lehnt. Ein Arzt, der bei der Besichtigung hinter Vater stand, ohne ihn zu kennen, sagte: Den Kerl, der so was gemacht hat, den müsste man erschießen.

 

So hat es Frieda Groß berichtet. Zu den Feindseligkeiten kam, dass Wilhelm Groß wegen der jüdischen Großeltern väterlicherseits nach NS-Logik als so genannter Halbjude galt. Damit war es um die öffentliche Anerkennung geschehen. Die gelobte Figurengruppe wurde versteckt, um nicht zerstört zu werden, zunächst im Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin, dann kam sie nach Utrecht in den Niederlanden. Heute steht sie in der Oranienburger Nikolaikirche. Ausgeschlossen aus der Reichskulturkammer, erhielt Wilhelm Groß Ausstellungsverbot. Öffentliche Aufträge fielen somit aus. Mit Aufträgen der Bekennenden Kirche, deren Mitglied er war, hielt er sich mit Frau und sechs Kindern mühsam über Wasser.

 

 

Die NS-Jahre waren trotz aller Not künstlerisch Wilhelm Groß’ kreativste und produktivste. Er wurde zu dem Künstler der Bekennenden Kirche. Immer wieder schuf er für sie Propheten – und Christusfiguren, die auch den Kampf der Kirche um ihr Überleben in der Nazi-Diktatur zeigten und die Kränkung, die Christus selbst in dieser Zeit erfuhr. Eindrucksvoll hat er diese Kränkung schon vor Hitlers Machtübernahme in der Figur „Christus im Soldatenmantel“ gezeigt. Sie steht im Oranienburger Schlossmuseum. Dessen Leiterin Manuela Vehma:

 

Manuela Vehma: Die Plastik, die ist für mich Gänsehaut erregend. Es heißt ja: Sie legten ihm einen Purpur-mantel an, setzte ihm eine Dornenkrone auf, bespuckten ihn, verschmähten ihn, verhöhnten ihn als König der Juden. Und dieser Christus, diese Haltung der Hände und der Füße und die geneigte Kopfhaltung zeigt die tiefe, tiefe Demütigung.

 

Der Soldatenmantel ist hier kein römischer, sondern der, den die Soldaten im ersten Weltkrieg trugen. Christi Leid wird so mit dem Leid und der Entmenschung dieses Krieges verbunden. Die Demütigung Christi war für Wilhelm Groß zugleich eine Gefahr für das Menschsein. Angesichts des Eindringens der NS-Ideologie in den Raum der Kirche konnte sogar befürchtet werden, dass Christus seine Kirche verlässt. Wilhelm Groß hat dies mit der Figur des Christus expulsus, des ausgestoßenen Christus, veranschaulicht. Die Anregung dafür  empfing er aus einer Vision, die Martin Niemöller zugeschrieben wird. Wie der Sohn des Künstlers Uwe-Karsten erklärt, stellte sie einen Gottesdienst während der NS-Zeit vor Augen.

 

Uwe-Karsten Groß: Das Eingangslied ist verklungen, der Pfarrer steht am Altar und beginnt: Nichtarier werden gebeten, die Kirche zu verlassen. Niemand rührt sich. Nichtarier werden gebeten, die Kirche sofort zu verlassen. Wieder bleibt alles still. Nichtarier werden gebeten, die Kirche sofort zu verlassen. Da steigt Christus vom Kreuz des Altars herab und verlässt die Kirche.

 

Das Entsetzen über die zwischen 1933 und 1945 verübten Verbrechen hat Wilhelm Groß mit der Figur „Der erstarrte Michael“ zu fassen versucht. Auslöser waren die Grausamkeiten, die Juden im Minsker Konzentrationslager widerfuhren. Der Schutzengel der Deutschen, der der Überlieferung nach auch der des jüdischen Volkes ist, der kampfgewohnte Streiter gegen widergöttliche Mächte hält sich, gelähmt vor Entsetzen, die Ohren zu und schließt die Augen vor den Schreien und dem Elend der Gequälten. Wilhelm Groß hat ihn aus einer Weide gehauen, deren zwei große Seitenäste zu seinen Flügeln wurden. Ähnlich wie bei seinem gewaltigen, um die vier Meter hohen Amos, wo er in zwei Ästen des Baumes die empor gereckten Arme des Propheten vorgeprägt sah. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Wilhelm Groß auch im sozialistischen Staat um die öffentliche Anerkennung gebracht und lebte weiter von kirchlichen Aufträgen. Solange die Kraft dafür reichte, schuf er Skulpturen. Er starb am 9. Januar 1974 mit 91 Jahren in seinem Haus in Eden bei Oranienburg. Seine letzte Holzskulptur, gewaltig wie der Amos und mit viereinhalb Metern ihn noch überragend, –– rang Wilhelm Groß 1961, im Jahr des Mauerbaus, mit 75 Jahren dem Holz ab. Sie steht heute in der Berliner Epiphanien-Kirche.

 

Manuela Vehma: Nachdem Walter Ulbricht die zehn Gebote der sozialistischen Moral postuliert hatte, ergriff den alten Künstler noch einmal die Wut und er stemmte noch einmal die Bildhauereisen und schuf diese Figur des Mose mit den Tafeln des Gesetzes, mit den zehn Geboten, so nach dem Motto, also wir haben auch zehn Gebote, die zehn wahren Gebote, aber die stehen eben woanders.

10.02.2016
Gunnar Lammert-Türk