Das gefährlichste Buch

Wort zum Tage
Das gefährlichste Buch
22.08.2015 - 06:23
23.06.2015
Pastor Diederich Lüken

Das gefährlichste Buch der Welt ist die Bibel. Eine steile Behauptung! Wie komme ich darauf? Lange durfte die Bibel nur in lateinischer Sprache gelesen werden. Damit war sie allen denen verschlossen, die kein Latein konnten. Vom 13. Jahrhundert an war den Laien der Besitz der Bibel überhaupt völlig verboten; man durfte lediglich die Psalmen und ein sogenanntes Brevier besitzen, also einen Auszug aus den biblischen Schriften, natürlich wieder nur auf Latein. Wer die Bibel oder auch nur theologische Schriften in der Muttersprache besaß, galt als Ketzer; und das konnte lebensbedrohlich werden. John Wyclif (1330–1384) unterlief dieses Verbot und übersetzte die Bibel ins Englische. Er starb eines natürlichen Todes; später aber wurde er als Ketzer verdammt; seine Gebeine wurden noch 44 Jahre später verbrannt, 1428. Jan Hus, der vor sechshundert Jahren in Konstanz als Ketzer verbrannt wurde, wirkte an der tschechischen Übersetzung der Bibel mit. Erst die Reformation brachte eine deutsche Bibelübersetzung. Martin Luther war nicht der erste Übersetzer, aber der beste; und die neu erfundene Druckerpresse verhalf seiner Übersetzung zu weitester Verbreitung. Die volkssprachliche Bibel wurde ein Bestseller, sehr zum Verdruss der kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten. Innerhalb der katholischen Kirche wurde die Verbreitung der Bibel weiterhin behindert. Das hat sich natürlich längst geändert Es gibt aber viele Länder, in denen es anders ist, Länder, in denen bereits der Besitz der Bibel unter Strafe gestellt ist, wie zum Beispiel in Saudi Arabien[1]. Manchmal provoziert der Besitz der Bibel sogar die Todesstrafe. So kann es vor allem in Nordkorea und Somalia[2] geschehen. Was macht die Bibel so gefährlich? Die Gründe sind unterschiedlich. Einerseits erregt sie politischen Anstoß, weil sich der Gott der Bibel immer wieder auf die Seite der Schwachen und Entrechteten stellt. Außerdem erhebt dieser Gott den Anspruch, über allem und über allen zu stehen. Die politischen Herrscher werden an ihren Platz verwiesen und in ihrer Bedeutung herabgestuft. Andererseits erregt die Bibel, ja, moralischen Anstoß. Sie redet von einer Gnade, die dem Menschen ohne sein eigenes Verdienst widerfährt und sein Leben gelingen lässt auch da, wo andere ihn längst aufgegeben haben. Amazing grace, staunenswerte Gnade (Obama hat das Lied vor ein einigen Wochen gesungen). Das ist ein Dorn im Auge all jener, die die Menschen mit religiösen Vorschriften oder sonstigen Leistungsappellen vollpflastern. Die Bibel ist ein Buch, das Freiheit proklamiert, Freiheit im umfassenden Sinn. Nach alledem verfestigt sich bei mir immer mehr der Eindruck: Die Bibel ist das gefährlichste Buch der Weltliteratur.

 

[1] siehe: 18 August 2014, 08:30, ZDF: Scholl-Latour erklärte die Welt und die Religionen

[2] http://www.bibelstudium.de/index.php?articles/1237/Christenverfolgung+heute

23.06.2015
Pastor Diederich Lüken