Armes reiches Deutschland

Armes reiches Deutschland
Pfarrer Stefan Claaß
13.06.2015 - 23:35

Kürzlich  gab es eine neue Statistik, die ich echt deprimierend fand. Deutschland ist international auf dem letzten Platz gelandet, was die Zahl der Geburten angeht. Wie traurig, habe ich gedacht.

Dann habe ich ein paar Leserreaktionen angeschaut, und ich war nicht mehr traurig. Sondern wütend. Im Anschluss an die Statistik war zu lesen: Alarm, uns fehlen künftige Fachkräfte und Rentenzahler. Als wären Kinder so etwas wie Nutzvieh, um die Alten über die Runden zu bringen. So zu denken finde ich schändlich, wenn man daran zuerst denkt.

 

Deutschland kommt mir mit seiner Minizahl von Geburten vor wie der reiche Mann in einer biblischen Geschichte. Ein gutes Wirtschaftsjahr. Die Erträge können sich sehen lassen. Der Mann ist zufrieden. Er denkt sich: Jetzt muss ich nur noch mein Guthaben gut und sicher deponieren. Dann ist alles geregelt. Es ist eine der wenigen Geschichten, in der nur ein einzelner Mensch vorkommt. Keine Freunde, keine Familie, keine Kinder. Dieser scheinbar reiche Mann ist in Wahrheit ein armer Hund.

 

Ich stelle mir vor, wie unser letztes Nachbarschaftsfest verlaufen  wäre – ohne die ganzen Kinder. Da ist dann niemand, der laut und ohne Hemmungen kommentiert: „Die Frau Sowieso braucht zu Hause keinen Spiegel, sie hat ja die Glatze von ihrem Mann.“ Oder: Kann Gott eigentlich tauschen? Das Gesunde ins Eis und das Ungesunde in den Salat? Es wirkt enorm befreiend, mit Kindern zusammen zu sein. Egal, ob es unsere eigenen sind oder Nachbarskinder. Oder ob man sie wieder abgeben kann, wenn sie anstrengend werden. Enkel also.  

Ich sehe schon, wie Sie jetzt Luft holen – ja, Sie haben Recht, die andere Seite gehört dazu. Kinder sind manchmal laut, Kinder übergeben sich immer über der frisch gereinigten Hose. Sie nerven manchmal und rauben den Schlaf. Ganz egal, ob sie 12 Wochen oder 12 Jahre alt sind. Die erfrischende Seite ist nicht ohne die nervige zu haben.

 

Ob eigene oder fremde Kinder - sie versetzten uns alle in Spannung zwischen Lebensfreude und Aufregung, zwischen Gegenwart und Zukunft. Kinder sind für uns alle eine lebende Predigt Gottes, dass wir aufeinander angewiesen sind. Kinder sind für die Menschen in ihrer Umgebung die lebende Predigt Gottes, dass alles auch ganz anders sein könnte.  

Ich bin fest davon überzeugt: Reich wird unser Leben durch die Begegnung mit Kindern, mit eigenen und mit fremden. Warum gibt es in Frankreich, England und in den USA 13 Babys auf 1000 Einwohner, bei uns aber nur 8? Es sind Staaten, die es Mann und Frau erheblich leichter machen, sich die Betreuung der Kinder und die Arbeit zu teilen.

 

Wenn ich über das Fernsehprogramm entscheiden könnte, würde ich vor den täglichen Börsennachrichten eine neue Sendung platzieren:  „Kinder vor acht.“ Mit  aktuellen Bildern von Neugeborenen. So eine Sendung würde uns täglich herausfordern, neue Ideen zu entwickeln, wie unser Berufsalltag zum Leben mit Kindern passt. Und nicht umgekehrt.

 

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!