Beten in aller Öffentlichkeit?

Beten in aller Öffentlichkeit?
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
16.09.2017 - 23:35
21.12.2016
Wolfgang Beck

soll ich oder soll ich nicht? – Ich sitze im Restaurant, das Essen kommt. Da ist er wieder, dieser kleine, peinliche Moment: Soll ich jetzt ein kleines Dankgebet halten, bevor ich den ersten Bissen in den Mund schiebe, so wie ich das zuhause ganz automatisch mache? Oder lieber nicht? Könnte es irgendwie blöd wirken, oder peinlich!? "Jetzt doch erst recht", werden manche rufen. Öffentlich beten oder nicht? Diese Alternative ist mir selbst eher suspekt. Jesus ruft die Menschen im Matthäusevangelium regelrecht dazu auf, hinter verschlossener Tür zu beten und in Formen ihren Glauben zu leben, die die anderen vielleicht kaum mitbekommen.

Das Gebet soll dabei vor allem eine Sache zwischen Gott und mir sein. Damit ist für uns Christen eigentlich klar: Unser Beten und unsere Gottesdienste sind keine Demonstration – für oder gegen wen auch immer. "Schlechtes Marketing", würden andere sagen, und mit dem Kopf schütteln. Marketing strebt nach Aufmerksamkeit, gerade auch mit Irritationen. Wenn die biblische Überlieferung mit den Worten Jesu zum Gebet im Stillen aufruft, dann ist das auch ein Riegel gegen so ein vorschnelles Marketingdenken. Ich selbst habe für mich im Restaurant einen Mittelweg gefunden: Natürlich bete ich im Stillen, aber es muss nicht immer mit einem Kreuzzeichen oder gefalteten Händen sein. "Du Weichei, steh doch als Christ und Priester gefälligst zu deinem Glauben!", sagen da manche vielleicht. Da kann ich nur erwidern: Keine Sorge, das tue ich.

 Aber das Gebet eignet sich dafür eben nur bedingt. Im Gegenteil, uns Christen steht es gut zu Gesicht, skeptisch zu beobachten, wo das Gebet instrumentalisiert wird. Es dient häufig bloß der eigenen Imagepflege. Politiker lassen sich, wie jüngst bei Donald Trump gesehen, beim Beten filmen. Das hilft ja schließlich, Gruppierungen für sich zu gewinnen, die sich für besonders fromm halten. Auch wird das öffentliche Beten und die Teilnahme an Gottesdiensten von Despoten und Mächtigen weltweit gerne benutzt, um das Image aufzupolieren. Mit dem Gebet kann es kompliziert sein. Klar, jeder wird da seinen eigenen Stil haben. Aber wenn das Beten instrumentalisiert wird, wenn Menschen gesehen werden möchten und andere beeindrucken wollen, dann werde ich skeptisch und denke an das "stille Kämmerlein". Das persönliche Gebet darf nicht zu einer Demonstration werden. Einen guten Sonntag!

21.12.2016
Wolfgang Beck