Darf Satire alles?

Darf Satire alles?
Pastorin Annette Behnken
17.01.2015 - 23:35

Das Wort zum Sonntag am 17.01.2015

Pastorin Annette Behnken

 

Gott ist ausgewandert. Er hat genug von der Menschheit. So die satirische Zeitschrift „Postillion“ in der vergangenen Woche: Gott, so der Artikel, wird ab sofort in einem anderen, noch nicht völlig verkorksten Sonnensystem wirken. Ihm, Gott, auch unter den Namen Jahwe und Allah bekannt, missfällt, dass seine Anhänger ihm ständig die Worte im Mund herumdrehen. Und sich an längst veraltete Weisungen halten. An seiner neuen Wirkungsstätte wird er auf organische Lebensformen mit mehr als zwei Zellen verzichten.

 

Ja das ist Satire und die darf das. Satire darf sein, auch über die Religion. Und: Satire darf auch wehtun. Das ist ja Sinn der Sache! Dass sie den Finger in die Wunde legt. Uns den Spiegel vors Gesicht hält. Uns in Frage stellt.

 

Auch von christlicher Seite gibt‘s immer wieder Anfeindungen gegen Satire und Karikaturisten. Dabei steht ja ganz am Anfang des Christentums selbst schon eine Karikatur: Gott selbst am Kreuz, über ihm das ironische Schild: INRI – Jesus von Nazareth, König der Juden. Für mich liegt damit, im Zentrum meiner eigenen Religion, ein Grundstein gegen jegliche religiöse Überheblichkeit. 

 

Wie wir Karikaturen und Satire empfinden, das ist natürlich subjektiv. Manchmal als voll daneben  - das tut dann weh. Oft trifft es aber auch voll ins Schwarze  - und das tut noch mehr weh.

 

Darüber kann man lachen, streiten oder vor Gericht ziehen. Aber: Niemanden umbringen! Das ist die Freiheit, für die vor 200, 300 Jahren in Europa hart gestritten und gekämpft wurde, in der Aufklärung, in der französischen Revolution. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit der Kunst. Menschenrechte. „Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen“, ein Satz von Voltaire. Und man könnte ergänzen: „Ich lehne ab, was Du zeichnest, aber ich werde Dein Recht verteidigen, es zu tun.“

 

Für diese Grundrechte haben letzten Sonntag in Paris über anderthalb Millionen Menschen protestiert. Muslime, Juden, Christen und andere im Schulterschluss. Sie haben zusammen getrauert. Und die Freiheit hochgehalten.

 

Die Kirchen haben sich lange schwer getan mit der Freiheit des anderen  - und der Freiheit des Lachens. Obwohl es immer auch schon andere Auffassungen gegeben hat. Martin Luther sagte: „ ... wo der Glaube ist, da ist auch Lachen.“ Und er wusste auch: den „Namen Gottes heiligen“ heißt: in seinem Namen Leben fördern, und nicht Leben auslöschen.

 

Das Titelbild der neuen Ausgabe von Charlie Hebdo in dieser Woche, millionenfach verkauft und in allen Medien präsent: Ein weinender Mohammed, in den Händen das Schild: Je suis charlie. Und darüber der Satz: Tout est pardonnè. Alles ist vergeben. Ein Satz, der in den Köpfen der Leser unterschiedlich wirkt.

 

Karikatur. Satire. Anstößig. Und: Eine Geste der Freiheit.