Kirchenasyl

Kirchenasyl
Pastorin Annette Behnken
07.02.2015 - 23:35
02.02.2015
Pastorin Annette Behnken

Letzte Woche gab‘s eine schallende Ohrfeige für die Kirchen. Und zwar vom Innenminister persönlich. De Maiziere wirft Kirchengemeinden, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewähren vor, sich damit eigenständig über Gesetze hinwegzusetzen. Diesen Vorwurf finde ich fatal - und einfach falsch. Vom Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kommt ähnliche Kritik, nämlich die, dass die Kirche nicht mehr sorgfältig prüft, wem sie Kirchenasyl gewährt. Auch das ist falsch. Und ein Affront gegen die, die aus guten Gründen Kirchenasyl gewähren und sich das reiflich überlegt haben.

 

Kirchenasyl ist, in der Tat, Beihilfe zu einer Straftat. Zur Zeit machen sich dadurch Frauen und Männer in ungefähr 190 Kirchengemeinden in Deutschland strafbar. Es können Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet und Geld- oder sogar Haftstrafen. Ob sie das auf sich nehmen wollen, das überlegen sie sich gründlich. Und ebenso gründlich prüfen sie ihr Gewissen: Können wir das verantworten, diesen Menschen abschieben oder rückführen zu lassen? In welches Land käme er oder sie? Und was würde ihn dort erwarten?

 

Wie in der Kirchengemeinde eines Kollegen, in der seit einem Jahr ein Flüchtling aus dem Sudan lebt. In Deutschland kann er keinen Antrag auf Asyl stellen, das muss er in dem EU-Land tun, in das er zuerst auf seiner Flucht gekommen ist. In seinem Fall ist das Italien. Aber so wunderbar man in Italien Urlaub machen kann, so bitter war es für ihn als Flüchtling dort zu sein. Sein Asylantrag wurde nicht bearbeitet und nach einiger Zeit war er obdachlos und mittellos. So und zum Teil noch drastischer gehen einige EU-Ländern mit Flüchtlingen um.

Wenn dann die Entscheidung fällt: Ja, wir nehmen diesen Menschen im Kirchenasyl auf, dann dulden die Behörden das meistens stillschweigend. Verzichten darauf, mit Polizeigewalt in die kirchlichen Gebäude einzudringen. Und die Kirchen arbeiten eng mit den Behörden zusammen, um eine Lösung zu finden.. Eine gute Zusammenarbeit, die jetzt durch die Kritik des Innenministers in Frage gestellt wird.

 

Damit das klar ist: die Kirchen unterwandern nicht den Rechtsstaat. Ganz im Gegenteil: Sie wollen ihn erinnern, an das Recht auf Menschenwürde, auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit.

Raum und Zeit gewinnen, um ein Verfahren noch einmal sorgfältig zu prüfen. Das ist es, worum es geht.

Und tatsächlich: Die meisten Fälle werden nach der erneuten Überprüfung anders bewertet und eine gute, rechtliche Lösung gefunden. Darum finde ich:: Kirchenasyl ist notwendig, im wahrsten Sinn des Wortes.

 

Aus der Überzeugung heraus, dass Gott die Fremden liebt und wir in ihnen Gott selbst begegnen. Die Frauen und Männer, die sich dafür einsetzen, haben Respekt verdient, aber nicht  politischen Tadel.

 

Das Kirchenasyl in der Gemeinde meines Kollegen: Wann und wie es beendet werden kann, ist noch offen. In Zukunft nämlich sollen bestimmte Flüchtlinge im Kirchenasyl als „flüchtig“, also quasi untergetaucht betrachtet werden. Obwohl sie das nicht sind, ihr Aufenthaltsort ist den Behörden ja gemeldet. Der Trick an der Sache: Damit müssten Flüchtlinge anstelle eines halben Jahres jetzt anderthalb Jahre aushalten. Dann erst können sie bei uns Asyl beantragen. Was es natürlich viel schwerer macht es durchzuhalten – für die Flüchtlinge und auch für die Gemeinden.

 

Eigentlich sollte ganz Europa Schutzraum für verfolgte Menschen sein, für ihre Rechte und ihre Würde. Wir verlieren dadurch nicht unsere Identität oder Kultur. Im Gegenteil: Wir geben sie weiter.

02.02.2015
Pastorin Annette Behnken