Das Wort zum Sonntag

Das Wort zum Sonntag
Glück ist... den Anderen zu helfen?
19.09.2015 - 23:35

Die ganze Nacht. Durcharbeiten. Von 19 Uhr abends bis 5 Uhr morgens. Tischdienst für Flüchtlinge, Essen und Trinken bringen für Menschen aus Syrien, aus Afrika. Ehrenamtlich. Dann eine Stunde Schlaf und ab zur Arbeit. Erschöpft und …..glücklich!!! Voll mit Eindrücken. Demut. Achtung. Vor den Menschen, denen er in der Nacht begegnet ist.

 

Der das erzählt ist einer von Vielen und es werden immer mehr. Die sagen: Nicht quatschen, machen. Helfen kann jeder. In dem Ort, in dem ich lebe zum Beispiel. Da werden es auch immer mehr, die was machen, die helfen. Die Flüchtlinge, die bei uns im Ort leben zu Ämtern und Behörden begleiten. Ihnen Deutschunterricht geben und Rechtsberatung. Die Kühlschränke, Fahrräder, Winterjacken besorgen, was gebraucht wird. Zusammen kochen. Freundschaften schliessen.

 

Und das ist so gut. Diese riesige Welle der Hilfsbereitschaft, die quer durch Deutschland geht. In unserem Land, in dem die rechtsextremen Anschläge und Gewalttaten wieder mehr werden. In dem zur Zeit jeder, der sich öffentlich für Flüchtlinge einsetzt, mit einem shitstorm im Netz rechnen muss. Mit aggressiven und dummen Beleidigungen.

 

Und dann das: Allein in Hamburg jeden Tag an die tausend Leute in der Messehalle. Die anpacken bis zur Erschöpfung, Pullover sortieren und Schuhe, Duschzeug und Zahnpasta einpacken für die neu angekommen Flüchtlinge, die mit fast nichts kommen. Die Helfer arbeiten 10,12, 14 Stunden am Tag, manche nehmen sogar Urlaub dafür. Um fremden Menschen in Not zu helfen. Abends sind sie kaputt. Und zufrieden. Weil es gut war.

 

Weil es so gut tut. Seit Tagen die Sonne nicht gesehen, aber es ist die Zeit seines Lebens, sagt einer der Helfer in der Messehalle. Endlich nicht mehr ohnmächtig zusehen. Sondern was tun können.

 

Hilfsbereitschaft. Solidarität. Nächstenliebe. Das ist offenbar mehr, als mühselige Pflicht. Nämlich ein tiefes menschliches Bedürfnis. Die Helfer geben viel: Zeit, Kraft, Geld. Und sie bekommen viel: Kostbare Begegnungen. Glücksgefühle. Nicht quatschen, machen.

 

In Hamburg steht die Messhalle noch bis zum Ende des Jahres für die Helfer zur Verfügung. Wie es dann weitergeht, ist offen. Wie es im Winter gehen wird. Im nächsten Jahr.

Denn es wird ja weitergehen. Nicht nur in Hamburg. Es wird sich zeigen, ob wir auf Dauer bereit sind, die Welt hereinzulassen. Und ob wir unsere Ängste in den Griff kriegen. Es wird nicht alles funktionieren. Es wird Spannungen geben, enttäuschte Hoffnungen, soziale Probleme. Es wird ein langer Weg, wahrscheinlich sogar ein Generationenprojekt. Es kommt auf uns an, ob wir einen langen Atem haben. Ob wir abgeben können, auf Dauer und auch  dann, wenn es weh tut. Zeit, Kraft, Geld. Und ob wir verstehen, dass wir dafür etwas bekommen. Etwas ganz anderes. Begegnungen mit Menschen, die bereichern. Das Glücksgefühl und die tiefe Zufriedenheit, mit ihnen unsere Welt zu gestalten, auf gute Weise.

Hilfsbereitschaft. Solidarität. Nächstenliebe. Christliche Werte. Menschliche Werte. Und eben auch: europäische Werte. Grundvoraussetzungen, damit Zusammenleben funktionieren kann. Zwischen Menschen und zwischen Ländern.

Es ist eine Reifeprüfung, für jeden einzelnen von uns. Für Deutschland. Für Europa. 

Dass wir sie bestehen, dafür kann jede und jeder was tun. Jetzt. Und wenn wir sie bestehen, dann schauen wir irgendwann zurück auf diese Zeit, zufrieden und stolz, dass wir das geschafft haben. Dass wir viel gegeben haben und noch viel mehr gewonnen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht!