Schweigeminute für Flüchtlinge

Schweigeminute für Flüchtlinge
Das Wort zum Sonntag von Pastoralreferentin Verena M. Kitz
12.09.2015 - 23:05

Letzte Woche war in Österreich eine ziemlich ungewöhnliche Aufnahme auf  Platz 1 der Verkaufs-Charts von Musiktiteln im Internet: Eine Minute Stille - 60 Sekunden lang nichts zum Anhören! Das ist kein Witz, auch keine clevere Geschäftsidee, wie einer aus Nichts zu Geld machen kann, denn die Einnahmen werden gespendet. Mit dieser Schweigeminute will ein österreichischer Künstler, Raoul Haspel,  protestieren: gegen die österreichische Flüchtlingspolitik. Die hat in seinen Augen komplett versagt. Aber er will noch mehr: Er will die Hörer eingeladen, sich zu besinnen, auf so wichtige Werte wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, auch in der Politik.

Von dieser Hilfsbereitschaft erleben wir in Deutschland in den letzten Wochen ja ganz viel! Es hat mich total beeindruckt: Wie viele ganz normale Leute helfen mit, an den Bahnhöfen und in den Notunterkünften,  und begrüßen die Flüchtlinge begeistert. Aber es gibt leider auch das andere bei uns - da zünden Leute Asylbewerberheime an. Und in der europäischen Politik, da wird heftig gestritten, über Kosten und Quoten.

 

Da ist die Idee mit so einer Schweigeminute schon ein ziemliches Kontrastprogramm. Die ist nämlich erst mal eine Unterbrechung: Stopp! Mal anhalten,  nichts machen.  Ich habe das ausprobiert, ich habe mir diese Schweige-Minute angehört am Computer. Das war schon erst mal ein bisschen komisch: Einfach nur da sitzen, nichts machen: Keine Bilder sehen, Nachrichten hören. Auch ganz bewusst nicht gleich wieder überlegen: Wo müsste ich jetzt am besten helfen? Oder wie wird das in einem halben Jahr sein, wenn die erste Begeisterung weg ist? Wie wird sich unser Land, wie Europa sich verändern? Stattdessen einfach mal: nichts, Stille!  

 

Ich will jetzt nicht viele Worte machen, am besten probieren Sie das selber mal aus. Aber ich habe gemerkt: Die Stille hat mir geholfen, das ganze Gedankenkarussell, was ich eigentlich tun müsste und was irgendwann sein könnte, anzuhalten. Und wieder das zu spüren, worum es jetzt geht, und was mir wichtig ist: Menschen in ihrer Not nicht hängen zu lassen.

Natürlich brauchen wir Regelungen in Europa, und das ist harte Arbeit für die Politiker. Aber ich bin auch ganz persönlich gefragt, Stellung zu beziehen. Und durch diese Minute habe ich so intensiv wie sonst selten in dem ganzen Nachrichtenwust versucht, mich in die Situation der Flüchtlinge hineinzuversetzen: Wie muss das sein  – mit kleinen Kindern auf der Flucht? Sie brauchen jetzt Hilfe.

 

Die Stille hat mir dabei geholfen, das klarer zu bekommen. Und mir ist eingefallen: Auch Jesus von Nazareth hat das so gemacht. Der hat immer wieder die Stille gesucht, hat gebetet, gerade wenn es turbulent war. Denn er hat auch Angst gehabt, Zweifel, erzählt die Bibel. Aber durch die Stille und den Rückhalt in Gott konnte er das weiter tun, was ihm wichtig war: Menschen in ihrer Not beistehen, sie in ihrer Würde bestärken und mit ihnen zusammen sein. Ihn will ich mir zum Vorbild und Beistand nehmen.

 

Probieren Sie das doch mal aus mit der Schweigeminute - ich glaube, sie kann helfen, in all dem, was uns umtreibt, zur Besinnung zu kommen: Auf das, was jetzt wichtig ist!

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