Das Wort zum Sonntag mit Pastorin Annette Behnken: "Kein Verständnis"

Das Wort zum Sonntag mit Pastorin Annette Behnken: "Kein Verständnis"
07.06.2014 - 22:05

Ich spreche… Englisch, ein paar Worte ….Französisch. Mehr kann ich nicht an Fremdsprachen. Deshalb hätt ich ganz gerne das, was in einem bekannten science-fiction Roman vorkommt: den Babelfisch. Das ist was Geniales. Ein kleines Tier nämlich, das man sich ins Ohr setzen kann. Und dann versteht man alle Sprachen. Sein Name, Babelfisch, ist an die uralte biblische Geschichte des Turmbaus zu Babel angelehnt. In der wollen Menschen einen Turm bauen, der bis in den Himmel reicht. Grössenwahn. Aber Gott bremst sie aus. Mit einem sehr wirkungsvollen Trick:  Er lässt sie unterschiedliche Sprachen sprechen, so dass sie sich nicht mehr verständigen können.

 

Sich verstehen können, egal, welche Sprache man spricht. Es gibt eine Fortsetzung der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Das ist die Geschichte von Pfingsten, dem Kirchenfest, das wir morgen feiern. Die Geschichte von Pfingsten erzählt, dass göttlicher Geist wie Feuerflammen vom Himmel fällt und bewirkt, dass die Menschen sich auf einmal verstehen können. Egal, welche Sprache sie sprechen.  Sie verstehen sich, weil sie eines Geistes sind.

 

Babelfische gibts inzwischen übrigens wirklich, als technische Lösung. So nennen sich Übersetzungsdienste im Netz. Die neueste und fortgeschrittenste Erfindung soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen - eine Online-Übersetzung in Echtzeit. Dann sind Video-Telefonate über alle Sprachgrenzen hinweg möglich. Ich kann nach Brasilien, China, Frankreich oder Russland telefonieren und mich unterhalten, als sprächen wir dieselbe Sprache. Das ist genial. Wir können uns einfach so unterhalten. Auf der ganzen Welt.

 

Aber Übersetzen ist nur das eine -  Verstehen ist was ganz anderes. Das merken wir, wenn wir die Wahlergebnisse in Europa anschauen: die Nationalisten gewinnen an Bedeutung - die, die die eigene Nation in den Vordergrund stellen und nicht die gemeinsame europäische Idee. Es herrscht ein großes, gegenseitiges Nichtverstehen. Um das zu überwinden, reicht es nicht aus, Worte zu übersetzen. Wir bräuchten einen gemeinsamen Geist. Einen europäischen Geist. „Gebt Europa eine Seele, sonst hat es keine Zukunft“, hat der  französische und europäische Politiker Jaques Delors schon vor fast 25 Jahren gesagt.

 

 „Gebt Europa eine Seele, sonst hat es keine Zukunft“. Eine Seele, die hat Europa längst. Weil es ja von seinem Ursprung her ein grosses Friedensprojekt ist.  Aber das wird inmitten aller wirtschaftlicher und strategischer Interessen so leicht vergessen.

 

Ich möchte ein Europa, das seine Seele nicht vergisst. Seine Seele, die den Willen zum Frieden in sich trägt und  den Geist von Demokratie und Menschenrechten. Ich möchte ein Europa, das eine Kraft ist in der Welt. Eine Gegenkraft zum Waffengeklapper und Protzgebaren der Grossmächte. Eine Gegenkraft zur Dummheit des Nationalismus. Ich möchte einen Gegengeist dazu. Wir haben genug Geistlosigkeit in der Welt, genug Nicht-Verstehen. Die Botschaft vom Pfingstfest morgen ist: es gibt einen Geist, der uns beflügelt und verbindet. Solchen Geist wünsche ich mir für uns alle. Einen Geist des gegenseitigen Verstehens und der Toleranz. Auf den hoff‘ ich. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht!