Gottvertrauen in Zeiten des Misstrauens

Gottvertrauen in Zeiten des Misstrauens
Pastoralreferentin Lissy Eichert
26.12.2015 - 22:25

Frohe Weihnachten - geschafft?! Die Gans ist gegessen. Die Tanne nadelt. Und nun? Vielleicht Jahresabschluss oder Geschenke umtauschen?  Die kommenden Tage heißen lustiger Weise „zwischen den Jahren“. Zwischen-Zeit – Übergangszeit. Wenn man etwas Schönes vor hat, können diese Tage ja ganz angenehm werden: nicht zur Arbeit gehen müssen, die Silvesterparty vorbereiten, Freunde treffen. In solchen „Zwischenzeiten“ melden sich bei mir aber auch all die „seelischen Bauchschmerzen“, die  Selbstzweifel,  diffuse Ängste. Es gibt sie ja, und sie dürfen auch sein. Seit Paris einmal mehr. Wir leben in unsicheren Zeiten, obwohl wir uns doch so gern rundum absichern wollen.

 Mit Blick auf das neue Jahr frage ich den lieben Gott: „Worauf kommt es Dir denn eigentlich an? Wenn Dein Wort lebendig ist, wir haben's ja gerade in allen Kirchen gehört, vielleicht hast Du ja auch ein Wort für uns jetzt?“ Der innere Eindruck für heute war das Wort: „Gottvertrauen“.

 

 Vertrauen: in Gott, in das Leben, in Menschen - wie oft wird es auf die Probe gestellt. Vor wenigen Tagen in der U-Bahn zum Beispiel: Mitten im Gang des Abteils liegt ein junger Mann, offensichtlich stark alkoholisiert. Von alleine kommt der nicht wieder auf die Füße, denke ich und hoffe natürlich, dass ihm nicht Schlimmeres passiert ist. Ich könnte ihm helfen, aber ich zögere noch: Zum einen kostet es mich Überwindung, den Mann in seinem Zustand überhaupt anzufassen. Zum anderen schaue ich doch noch einmal genauer hin, ob es sich tatsächlich um einen Hilflosen handelt. Ja, ist es denn jetzt schon so weit, dass ich meine Mitmenschen erst einmal misstrauisch beäuge? Plötzlich greifen zwei Hände energisch zu: Ein Fahrgast, etwa Mitte 30, Typ Internetfreak, hievt den Mann auf die Bank, setzt sich neben ihn, damit der nicht umkippt.  Ein anrührendes Bild. Da bekennt sich einer zur Mitmenschlichkeit, unbefangen, beherzt und ohne lange zu zögern. Die Stimmung im U-Bahn-Wagen ändert sich. Erleichterung ist zu spüren, und Anerkennung der Hilfsbereitschaft. Da hat sich einer ein Herz gefasst. Ist Warmherzigkeit eine Antwort auf das Beben der Welt? Gott selbst ist Mensch geworden, haben wir gerade gefeiert, aber die neue, erlöste Weltordnung steht offensichtlich noch aus. „Herr“, frage ich, „wie soll ich Dir da als Retter der Welt vertrauen“?

 

Retter stelle ich mir eigentlich anders vor. Jesus Christus sagt allerdings von sich selbst: „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“ (Mt 11,6) Und versichert, dass er stärker ist als alles Leid, stärker als der Tod und alle Angst. Er ist die Mensch gewordene Barmherzigkeit Gottes. Einer Barmherzigkeit,  die bis ins tiefste Dunkel menschlicher Unbarmherzigkeit dringt. Weil Gott ein Herz hat, will - und kann - Gott die Welt retten. „Ich bin bei Euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt“ (Mt 28,20), hat Jesus Christus versprochen. Alle Tage. Also immer. Mit solchen Gedanken trotze ich aller Bangigkeit; sie geben mir Gottvertrauen. Genauso wie Menschen, die beherzt zufassen, mir Mut machen. Es gibt sie ja. Mitten im Alltag. In der U-Bahn.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Gottes Zusagen in Ihrem Alltag entdecken.

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