Nicht in meinem Namen

Nicht in meinem Namen
03.01.2015 - 23:40

Kopfschütteln, ziemliches Kopfschütteln ernte ich, wenn Menschen mitbekommen, dass ich Pfarrer bin. Katholisch oder evangelisch ist dann meist egal.

 

Im Kopfschütteln drückt sich wohl das Unverständnis aus, wie ich mich als relativ junger Mensch in den Dienst einer uralten und für viele antiquierten Institution stellen kann. Ich habe mich schon daran gewöhnt. Und es geht ja auch vielen so.

 

Wie die meisten Christen habe ich gelernt, mit Kopfschütteln und Staunen umzugehen. Und die meisten von uns haben sich für die gängigen Themen wohl auch schon Antworten parat gelegt. Wer in unserem Land deutlich sagt, dass er Christ ist und sein Leben in den Dienst einer großen Kirche stellt, ist meist gut trainiert darin, Rede und Antwort zu stehen. Natürlich kann ich so manche Kritik an den Kirchen auch persönlich nachvollziehen; wäre ja seltsam, wenn ich keine Kritik hätte.

 

Ziemlich ungewohnt ist für mich deshalb, wenn Menschen sich an meine Seite stellen und mich unterstützen wollen, die kaum wissen, was christlicher Glaube und europäische Tradition sind. Das ist für mich nicht nur ungewohnt, es ist auch befremdlich. So geht es mir als Christ bei den selbsternannten Rettern des Abendlandes, die zur Zeit viel Aufmerksamkeit bekommen. Die meinen wohl, etwas schützen und erhalten zu müssen, was ihnen selbst längst abhanden gekommen ist. Da kann ich nur sagen: nicht in meinem Namen!

 

Denn was ist das Starke an Kirche und christlicher Tradition, was mich faszinieren kann? Naja, da gäbe es vieles zu nennen. Hier nur zwei Dinge:

 

Zum einen gefällt mir, dass das Christentum von Beginn an ganz verschiedene Perspektiven und Weltanschauungen zusammengebracht hat. Es lebt aus seinen jüdischen Wurzeln und hat sich zugleich für die Welt griechischer Philosophie der Antike geöffnet. Beides hat in die Evangelien des Neuen Testaments Eingang gefunden, genauso wie spätere Einflüsse ganz verschiedener Kulturen. Da gab es offenbar schon früh ein Bemühen, sich nicht einfach gegen Fremdes und Fremde abzugrenzen, sondern, wo möglich, immer zu integrieren und sich davon bereichern zu lassen. Das gilt ja auch für naturwissenschaftliches Wissen der muslimischen Gelehrten, von dem im Mittelalter profitiert wurde. Deshalb schadet es auch dem derzeit vielbeschworenen Abendland aus meiner Sicht kein bisschen, wenn es bald den einen oder anderen muslimischen Feiertag gibt, wie das gerade diskutiert wird. Und wer ohnehin an christlichen Feiertagen nicht den Gottesdienst besucht, dem kann es auch egal sein, ob er aus einem anderen Grund arbeits- oder schulfrei hat.
 

Und als zweiter Punkt, der mich an der christlichen Tradition fasziniert: Sie muss sich, wenn sie glaubhaft sein will und sich an Jesus Christus orientiert, nicht gegen andere behaupten. Sie muss sich nicht groß machen und aufpumpen, wie ein Halbstarker. Denn das wäre das Gegenteil dessen, was von Jesus überliefert ist.

 

Natürlich sind die Kirchen in beiden Punkten immer wieder auch gescheitert. Da gibt es nichts zu beschönigen. Aber sie haben sich diese Ideale immerhin so erhalten, dass sie sich auch nach 2000 Jahren noch daran orientieren können. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen zu Beginn des neuen Jahres ein sehr gelassenes Leben im Abendland.