Sie haben uns für verrückt erklärt. Schon die Idee, ‚absurd! ‚An anderen Orten der Welt schießen die Leute aufeinander und hier sollen sie an einem Tisch sitzen? In Mannheim?
Wie soll das gehen? Miteinander essen? Schon allein die Speisegebote! Die einen dürfen kein Schweinefleisch, die anderen keinen Alkohol. Und miteinander beten! Haben wir denn einen Gott? Drei Weltreligionen und ein Tischgebet? Da müssen Sie doch auch noch Angst vor Anschlägen haben. Wollen sie dieses Risiko eingehen?
Ich weiß, unsere Vision von einer Meile der Religionen war alles andere als simpel, die Idee von "alle an einer großen langen Tafel" – kompliziert! Wir haben trotzdem eingeladen. Christen, Juden und Muslime, gemeinsam. Und es kommen Tausende, nicht nur ein paar wenige. Nein, Tausende, seit 12 Jahren, immer wieder, wie diese Woche. Aus den Straßenbahnen quellen die Menschen. Mit Töpfen und Schüsseln, Leute aus den Gemeinden bringen Essen her. Einzigartig ist sie: diese gemeinsame Einladung.
Wir feiern dieses Fest! Leute begegnen einander, die sonst nicht zusammen kämen. Leute aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen, essen und reden miteinander, sonst gibt es kaum Gelegenheit zusammen zu sein. Hier fühlt es sich leicht an und selbstverständlich. Wir klären beharrlich Speiseregeln und Umgangsformen. Es soll kein Alkohol ausgeschenkt werden, kein Schweinefleisch. Vegetarisch ist am einfachsten.
Der Friede braucht große Ideen und kleine Schritte. Und wahrscheinlich braucht der Friede dampfende Töpfe. Und das Gefühl der Geborgenheit, das eine gute Suppe auf der Zunge entstehen lässt.
Wir beten gemeinsam, und suchen dabei Formulierungen, die verbinden und nicht trennen.
Das ist nicht so einfach und dann doch wieder leicht: Geht nun, esst und trinkt! Nehmt das Beste, was ihr habt und gebt auch denen etwas, die nichts haben! Denn dieser Tag ist Gott heilig.
Während des Tischgebets fängt es an zu regnen, wir tragen Tische in die Kirche. Draußen rücken sie unter die Markisen der Geschäfte. Und dennoch es sind Tausende, die da sitzen und herumlaufen, essen und reden miteinander. Es werden Rezepte ausgetauscht und Gedanken über den Glauben und die Religionen in der Welt.
An einem Tisch nachdenkliche Gespräche: Wieso eigentlich ist es nicht überall wie hier? Wieso gibt es so viele Konflikte?
Vor der Synagoge eine Muslimin, sie meint: ich hätte nie gedacht, dass ich da so freundlich empfangen werde!
Große Ideen, kleine Schritte. Wir feiern ein Wunder des Friedens.
Am Schluss sind die meisten Töpfe leer. Alle sind satt und erfüllt, so viel Neues! Auf dem Marktplatz das Dankgebet, aus vollem Herzen sage ich: ‚Niemand kann uns davon abhalten, überall, wohin wir auch gehen, Gott mitzunehmen!‘
SWR