Diesmal von zuhause
Herzlich willkommen in meinem Wohnzimmer. Dienstag hatte ich Fieber, Kratzen im Hals, Erkältungssymptome. Also Mittwoch gleich einen Test gemacht. Der Arzt hat mir Quarantäne verordnet.
Ich war schon in Sorge, dass ich meine Arbeit als Pfarrerin für Wochen nicht ausüben kann.
Gerade jetzt, wo so viele ein offenes Ohr dringend brauchen, die Schwächsten sind noch immer isoliert. In meiner Gemeinde höre ich, dass sich manche seit Monaten und noch immer nicht vor die Tür trauen. Oder schlimmer: was wenn ich wirklich krank bin und bei den Beerdigungen und beim Gottesdienst der letzten Woche jemanden infiziert habe? Aber der Test war negativ. Alles gut! Ich darf wieder raus.
Ins Studio zur Aufzeichnung für das Wort zum Sonntag komme ich trotzdem nicht rein. Im SWR braucht es immer zwei Tests im Abstand von fünf Tagen. Klare Regeln zum Schutz aller.
Ich finde das gut und weder kompliziert noch schwer zu auszuhalten. In Deutschland leben wir ja in vielerlei Hinsicht wie vor Corona. Vielen aber gehen die Einschränkungen an die Existenz. Musikerinnen, Schauspieler, Theater, Kinos, Einzelhandel, Veranstalter, Caterer.
Herbst und Winter werden kein Spaß. Die Aggressionen steigen stetig: demonstratives Händeschütteln und Verweigerung von Masken. Oder Feiern bis zum Exzess, der zu Gewalt führt. Rechte Gruppen tun so, als kämpften sie um Bürgerfreiheiten. Hartes Ringen um Demonstrationen in Berlin. Eine Freundin motzt Leute beim Einkaufen an, die keine Masken tragen. Alle sind betroffen, alle haben eine Meinung. Selbst die Geduldigsten und Bodenständigsten verlieren die Nerven.
Können wir das nicht besser? Streiten um den richtigen Weg – ohne Gewalt, körperliche, verbale.
Ich selbst brauche – wie alle – Momente der Leichtigkeit. Will die Isolation aufbrechen.
Vieles geht ja: ins Kino gehen – da ist derzeit meistens fast alles frei. Spazieren, Wandern oder Radfahren sowieso. Auch private Feiern sind erlaubt und möglich, ohne die Vorsicht aufzugeben. Gottesdienste, draußen sogar mit Singen. Hier in Mannheim und an vielen Orten gibt es derzeit lauter OpenAir-Events. Manche sonst großen Konzerte sind auf einmal ganz klein und dadurch vielleicht auch besonders intensiv und schön. Wir machen ein Kultur-Festival bei uns an der Kirche, mit strengem Sicherheitskonzept, im Freien, vorsichtig und mit Abstand. Leute kommen zusammen, genießen die Musik, reden. Raus aus der Einsamkeit, manche brauchen jedes Mal eine Ermutigung zu kommen. Von den Balkonen der umliegenden Häuser hören Leute zu. Eine Frau tanzt da mit ihrem Baby im Arm. Ein kleines Mädchen übt verträumt Ballett am Zaun. Viele verschiedene kommen: Studierende, Familien, Menschen an der Armutsgrenze. Ein wildes Durcheinander an Leuten. Das macht sehr viel Spaß, es macht die Herzen und die Seelen weit. Aufatmen und Mut tanken, für alles was noch kommt.
Ich bin froh, dass ich jetzt wieder dabei sein kann und wünsche auch Ihnen solche Räume,
in denen die Seele weit wird und – eine gesegnete Nacht.
SWR