Anfang der Woche habe ich eine Familie besucht. Ein Ostergeschenk lege ich auf die Treppe, klingel‘ und geh zurück auf die Straße. Die ganze Familie hatte Covid und war drei Wochen in Quarantäne. Die Kinder hatten sich in der Kita infiziert. Der Kleinere wochenlang nur im Pyjama. Jetzt will er raus, will alles, sofort! Die beiden Brüder flitzen in den Garten. „Komm guck, das neue Fahrrad!“ rufen sie. Mutter Christine schaut vorsichtig von der Terrasse: „Die sind so ausgehungert nach jedem Kontakt“, meint sie. Wir sehen einander aus der Distanz an, ich würde sie so gerne umarmen. Aber sie darf noch nicht raus, noch niemandem nahekommen.
Umarmen? Begegnen? Kontakt? – Ein scharfer Lockdown ist doch jetzt dran! Oder? Alles passiert gleichzeitig. Konflikte eskalieren. Inzidenzen gegen Seelenheil. Intensivmedizin gegen Psychologen und Kinderschutz. Die meisten haben einfach genug und wollen wie der Vierjährige am liebsten ALLES JETZT SOFORT!
Ich auch. Ich will zurück ins Leben. Ich würde am liebsten laut im Ostergottesdienst singen: Jesus unser Trost und Leben! Und ich weiß doch: Zurück geht nicht. Anders vielleicht und neu. Das, was Christen an Ostern feiern, die Auferstehung, das ist anders. Auferstehung führt aus dem Tod in ein neues(!) Leben. Mittendrin zwischen Konflikten, im Dunkel und im Schmerz keimt etwas Neues.
Die Bibel erzählt von diesem neuen Leben in der Geschichte einer Frau, die das frische Grab Jesu besucht. Aber das Grab ist leer. Sie weint. Sie trifft einen Mann, der Gärtner? „Wo haben sie ihn hingetan, Jesus der meine ganze Hoffnung war?“ Der Mann spricht sie an und sagt nur: „Maria!“ Da erst erkennt sie ihn. Es ist Jesus. Er ist verändert. Sie will ihn umarmen – Er weicht zurück. Weicht zurück - Vielleicht weil das neue Leben noch nicht greifbar ist? So verletzlich ist?
So wie wir es jetzt sind. Wie die alte Dame, sie ist schon vollständig geimpft, ich will sie umarmen, sie trösten nach dem Tod ihres Mannes. Sie weicht zurück, obwohl sie weiß, auch ich bin geimpft. So verletzt, so verletzlich.
Wir werden auferstehen. Das glauben wir Christen. Wie wird es sein das neue Leben? Vielleicht begegnen wir einander ohne Anfassen mit lächelnden Augen. Menschen schütteln den Angsttraum ab, die selbst krank waren, die jemand verloren haben, wagen vorsichtig Schritte zurück ins Leben.
Gott erweckt Jesus zu neuem Leben. Gott hofft auf uns Menschen, vertraut uns, darauf, dass wir die Welt aus unserer Verletzlichkeit heraus neu gestalten. Ich taste mich vorwärts.
In mir klingt ein Lied, schon seit Tagen, das trotzig voll Hoffnung den Kopf hebt
„Wir wollen alle fröhlich sein, in dieser österlichen Zeit…“
So kann es anfangen: Öffnen Sie doch einmal das Fenster in diese Nacht. Mitten im Dunkel läuten schon die Glocken. Wie ein Staffellauf von Kirchturm zu Kirchturm. Das Osterläuten ruft allen zu: „Gott schenkt neues Leben. Christus ist auferstanden. Wahrhaftig auferstanden!“
Südwestdeutscher Rundfunk (SWR)
Redaktion: Ute-Beatrix Giebel