Liebesgebot
spricht Pfarrerin Ilka Sobottke aus Mannheim
01.05.2021 23:45

Vielleicht kommt es, daher dass ich als Pfarrerin Menschen beerdigen muss die an COVID gestorben sind. Vielleicht kommt es daher, dass ich als Pfarrerin die begleite, die trauern, weil sie jemanden verloren haben, den sie besonders liebten. Vielleicht auch daher, dass ich erleben musste, wie allein sich ein  Mann fühlte, seit die Frau starb, so allein, dass sein Verstand sich verabschiedet hat er nichts mehr erinnert und die Kinder nicht mehr erkennt. Es macht mich schier rasend, zu wissen, wie viel Leid vermeidbar wäre. Vielleicht versuche ich deswegen ständig alle um mich her zu überzeugen, sich impfen zu lassen.

Aber gerade weil ich mit so vielen über das Impfen rede höre ich auch so viele Argumente dagegen. Eine Frau vertraut mir ihre Angst an: „Ich habe von jemandem erfahren, der ist am Tag nach der Impfung gestorben, einfach so, Schlaganfall heißt es.Ich lasse mich nicht impfen. Lieber bleibe ich zuhause, gehe keinen Schritt mehr vor die Tür, solange ich lebe.“ Auf dem Markt ein junger Händler: „Mein Immunsystem ist so stark Ich brauche keine Impfung und wer weiß, was da noch dahinter steckt.“ Nach dem Gottesdienst an der Kirchentüre frage ich einen älteren Herrn: „Und sind sie schon geimpft?‘ Er zwinkert: ‚Das brauch ich doch nicht. Gott passt auf mich auf.‘

Gott passt bestimmt auf ihn auf, aber wie? Ich denke an den Mann, der bei einer Überschwemmung auf sein Hausdach klettert. Laut betet er und bittet Gott um Hilfe – ein Baumstamm schwimmt vorbei Der Mann bleibt sitzen. „Gott wird mich retten“, sagt er. Ein Boot kommt, die Leute darin fordern den Mann auf: „Steig zu uns ins Boot!“ Er lächelt: „Gott wird mich retten“ Als das Wasser ihm bis zum Hals steigt, betet er flehentlicher. Ein Hubschrauber kommt. Man will ihn hochziehen. Der Mann winkt ab: „Gott wird mich retten“ So versinkt er in den Fluten und stirbt. Er kommt in den Himmel und beschwert sich:  Ich habe auf dich vertraut, Gott, wieso hast du mich nicht gerettet? Gott antwortet: „Ich habe dir einen Baumstamm,  ein Boot und einen Hubschrauber geschickt, um dich zu retten. Was hast du erwartet?“

Gottvertrauen -  das bedeutet nicht nur abwarten und die Hände in den Schoß legen. Gottvertrauen heißt auch: die eigene Verantwortung wahrnehmen. Wir haben jetzt die Möglichkeit zur Impfung.  Noch nicht alle, aber immer mehr.  Und da gilt etwas fundamental Christliches: es geht beim Impfen nicht nur um die eigene Gesundheit,  sondern um die Gesundheit unserer Mitmenschen.  Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst.  Jesu Gebot wird auf einmal unangenehm unbequem: Jetzt heißt es: Schütze deine Mitmenschen wie dich selbst. Lass Dich impfen, auch wenn Du Angst hast, tue es für dich und tue es für deine Nächsten, die ganz nah und die ganz fern. Es hängt von jeder und jedem einzelnen ab, die oder der sich impfen lässt, ob es bald allen bei uns und anderswo wieder besser geht. Ich meine: Christen haben die Verantwortung, sich impfen zu lassen. Gott hat uns den Verstand geschenkt, Klugheit, Beharrlichkeit und Menschenliebe – Baumstamm, Boot, Helikopter, und so eben auch Impfstoffe.

Gott vertraut uns und will dass wir handeln! Lassen Sie sich impfen, um der Liebe Gottes und um der Menschen willen.

 

Sendeort und Mitwirkende

Südwestdeutscher Rundfunk (SWR)

Redaktion: Ute-Beatrix Giebel