Wie immer vor dem 1. Advent war ich bei meiner liebsten Freundin. Wir binden Adventskränze. Es duftet wunderbar nach Tannen und Kiefern und Wacholder. Aber dieses Jahr haben wir mitten in all dem Wunderbaren im Keller gesessen und geweint. Eigentlich ist meine Freundin ein Adventsmensch. Sterne und Engelchen hervorkruschteln, Kerzen ins Fenster stellen. Aber im vergangenen Jahr hat sie den letzten Adventskranz gebunden - für ihre Mutter. Eine Woche danach ist die Mutter an Corona gestorben. Dennoch haben wir in diesem Jahr wieder Zweig um Zweig gebunden zu einem duftenden Kranz. Etwas mit den Händen tun, mit dem ganzen Körper – das tröstet. Ich spüre, ich kann etwas tun mitten im Schmerz. Dann: Zimtsterne backen. Den Duft tief einatmen. Weihnachtslieder summen. Nicht alleine bleiben!
So viele werden dieses Jahr ein trauriges Weihnachtsfest erleben. So viele haben keine Ideen mehr, keine Geduld, alle Rücklagen aufgebraucht. Das Vertrauen verloren – in Gott, in die Zukunft, in die Menschen. Manche verzweifeln. Dennoch: gerade jetzt brauchen wir eine trotzige Kraft, trotzige Kraft Gott zu sehnen, zu bitten, zu fordern - in diesen Advent.
Bei uns in der Kirche feiern wir ein großes Weihnachtsfest für Menschen in Not. Weil die Infektionszahlen so hoch sind, dürfen nur wenige kommen. Dennoch: Wir schmücken die Kirche. Wir stellen einen Baum auf. Wir bestellen Essen für die, die da kommen. Und wieder werden da Leute sein, die es glücklich macht, sich selbst zu verschenken. Die lachen, die strahlen – die sind Licht in der Finsternis für andere.
Leere Städte, kalte Wohnungen, Krankheit, Angst und Wut. Ja, da ist noch weniger Licht als sonst in diesem Dezember, umso wichtiger ist es, Lichter zu entzünden. Für uns selbst, aber besonders für die anderen. Den Nachbarn eine Kerze hinstellen oder den Fremden. Grüne Lichter ins Fenster für Geflüchtete an Europas Grenzen – hier seid ihr willkommen sagen die.
Ebenso, ja ebenso kam auch der christliche Gott: wehrlos und ohnmächtig mitten hinein damals wie heute in eine dunkle Zeit. Ein Kind in einer Krippe, ein kleiner Mensch, an einem unscheinbaren Ort. Gott wird menschlich und vertraut sich uns Menschen an. Ganz schön mutig! Ganz schön vertrauensvoll!
‚Wie soll ich dich empfangen?‘ singen wir Gott entgegen im Adventslied. Wie soll ich Dich empfangen? Vielleicht so: Versuchen selbst menschlich zu werden. Gott und Menschen nahe zu sein.
Mit Leib und Seele. Händen, Füßen und Verstand.
Südwestdeutscher Rundfunk (SWR)
Redaktion: Ute-Beatrix Giebel