Gedanken zur Woche
Bild: Malou von Simson
Wer sich schützen will, sollte vom Guten ausgehen
20.11.2015 05:35

Die schrecklichen Attentate von Paris verändern alles. Das sagen jetzt manche. Auch Politiker. Mit den Flüchtlingen kämen auch Gefahren. Womöglich Terroristen. Es müsse endlich Schluss sein, mit der Freundlichkeit. Man sieht ja, wohin das führt. Wir müssen uns schützen vor dem, was passieren könnte.

 

Das ist verständlich und so haben anscheinend Menschen schon immer gedacht. Ziemlich am Anfang der Bibel steht die Geschichte der Israeliten in Ägypten. Die waren als Wirtschaftsflüchtlinge ins Land gekommen und wohnten nun seit Generationen dort und machten ihre Arbeit. Und sie wurden mehr. Das fiel auch dem Pharao, dem König von Ägypten auf. Der machte sich Sorgen. Nach der Bibel dachte er ungefähr so: „Wir müssen überlegen, was wir gegen sie tun können. Denn wenn ein Krieg ausbricht, könnten sie sich unseren Feinden anschließen, gegen uns kämpfen und sich des Landes bemächtigen“ (2. Mose 1,10)

 

Wenn – dann - könnte. Der kluge Pharao wollte sein Land schützen. Und er hielt es für besonders klug, vom Schlimmsten auszugehen. So, dachte er, könnte er Schlimmes verhindern. Deshalb ließ er die Fremden mit schwerer Arbeit unter Druck setzen. Und als das nichts half, befahl er, alle Jungen gleich bei der Geburt zu töten. Dann könnten die Fremden sich nicht weiter vermehren.

 

Viel Unglück hat der Pharao damals angerichtet, erzählt die Bibel.

 

 

Menschen versuchen, die Zukunft statistisch zu berechnen und zu sichern und gehen vom Schlimmsten aus. Und dabei kommt dann wirklich Schlimmes heraus. Ich frage mich, warum das nicht auch anders geht.  Warum sehen wir statt der Risiken nicht die Chancen?

 

 

Helfen würde es erst einmal, glaube ich, genau hinzuschauen statt immer schon zu wissen, wie es ist. Hier bei uns in Deutschland  sind die Gewalttaten im Zusammenhang mit Flüchtlingen vor allem der schreckliche Mord in Berlin an einem vierjährigen Jungen aus Syrien. Und der ihn ermordet hat, war kein Flüchtling sondern ein Einheimischer. Und es gibt Brandanschläge und Übergriffe auf Flüchtlingsheime.

 

Natürlich, es ist wahr: Es gibt Schlägereien in den Flüchtlingsunterkünften. Es hat einen Toten gegeben bei einer Messerstecherei. Aber Schlägereien gibt es vor allem, wenn Menschen keine Perspektive und nichts zu tun haben. Warum ist es so schwer, den Flüchtlingen Arbeit zu geben? Ihre Arbeitskraft auch als Potential wahrzunehmen?

 

Ich kenne viele Menschen mit ausländischen Wurzeln, die bei uns als Erzieherin, als Altenpflegerin, als Zimmermann, als Bankangestellte und Polizisten ihre Arbeit machen. Aber natürlich: Meine Freundin erzählt mir auch von Jugendlichen in ihrer Förderklasse, die meisten Kinder von Migranten: Die haben keinen Bock auf Schule. Aus lauter Langeweile lösen sie im Schulklo Feueralarm aus. Wozu sollen wir uns Mühe geben, sagen sie – aus uns wird ja sowieso nichts. Das sind 24 in einer Schule mit über tausend Schülern. Aber 24 zu viel. Wer weiß, was ihnen einfällt, wenn sie mal nicht mehr zur Schule gehen.

 

 

Ich meine, da muss mehr getan werden. Und es ist gut, dass viele Politiker jetzt sagen: Wir haben aus den Fehlern gelernt. Wir wollen und werden alles tun, dass es nicht solche Stadtteile bei uns gibt wie Brüssel Molenbeek oder St Denis in Paris: Stadtteile, wo die leben, die finden: Wir haben keine Chance. Also macht kaputt, was euch kaputt macht!

 

Von Anfang an dafür sorgen, dass es diese Perspektivlosigkeit nicht gibt. Chancen bieten für Menschen, ob mit Migrationshintergrund oder ohne.  Darum wird es jetzt gehen müssen. Da muss noch vieles anders werden. Ich meine, das ist auch eine der Lehren, die wir aus den Verbrechen von Paris ziehen müssen.

 

Die übergroße Mehrheit der Migranten und Flüchtlinge bei uns will arbeiten. Sie wollen sich eine Existenz aufbauen. Ihre Familien ernähren. Für dieses Land sorgen. Denn wenn es in unserem Land gut geht, dann wird es ihnen auch gut gehen. Das ist die gute Perspektive, die uns verbindet, glaube ich.

 

Dagegen: Vom Schlimmsten auszugehen, führt nicht weiter. Nur, wo Menschen einander unterstützen, finden sie gemeinsam eine gute Zukunft.

 

Sie können mit mir darüber sprechen, wo Sie positive Perspektiven für unser Land sehen – bis 8 Uhr unter der Nummer 030 - 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit auf Facebook unter „deutschlandradio.evangelisch“.