Wort zum Tage
Liebe kennt keine Grenzen
21.01.2016 05:23

„Liebe kennt keine Grenzen.“ Mit diesem Satz lässt sich die Geschichte zusammenfassen, die die hebräische Bibel im Buch Ruth erzählt. Es handelt von Frauen, starken Frauen, die sich ihr Glück erkämpfen, auch wenn die Gesellschaft, in der sie leben, ihnen so viel Eigenmächtigkeit gar nicht zubilligt. Um anerkannt und wirtschaftlich abgesichert zu sein, ist die Frau in jener Zeit auf einen Mann angewiesen. Doch was ist, wenn der Mann und Ernährer stirbt? Um nicht betteln zu müssen, muss sie wieder heiraten oder besser gesagt: geheiratet werden. Aber als Ausländerin hat Noomi keine Chance, einen Mann zu finden. Die Ehegesetze verbieten es. Dereinst war sie mit ihrem Mann und den beiden Söhnen vor dem Hunger aus ihrer Heimat geflohen. Zehn Jahre lang haben sie gedacht, sie hätten eine Zukunft in dem fremden Land. Beide Söhne haben Frauen des Landes geheiratet. Alles schien gut. Bis der Tod gleich mehrmals einen Strich durch die Rechnung macht: Alle drei Männer der Familie, Noomis Mann und die beiden jung verheirateten Söhne, sterben. Jetzt ist es wieder die blanke Not, die Noomi dazu bringt, in die alte Heimat zurückzukehren – in der Hoffnung, dass ihre Verwandten für sie sorgen werden. Eine vage Hoffnung! Davon sind auch die Schwiegertöchter überzeugt. Sie wollen Noomi nicht alleine ziehen lassen. Doch Noomi ist überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass die jungen Frauen ihr zuliebe auf eine gesicherte Zukunft verzichten wollen. Es gelingt ihr, wenigstens Orpa, die eine der beiden Schwiegertöchter, davon zu überzeugen, in ihrer Heimat zu bleiben. Ruth hingegen besteht darauf, ihre Schwiegermutter zu begleiten.

 

Nationalität und Glaubensunterschiede halten Ruth nicht davon ab, ihrem Herzen zu folgen. Sie liebt ihre Schwiegermutter. Und Liebe überwindet Grenzen – manchmal auch die der Vernunft. Denn dass für sie als junge, attraktive Frau ohne männliche Begleitung die Zukunft in einem ihr fremden Land nicht einfach werden würde, muss Ruth eigentlich klar gewesen sein.

 

Aufsehen erregen die beiden Frauen allemal, als sie nach langer Wanderung endlich in Noomis Heimatstadt Bethlehem ankommen. „Die ganze Stadt gerät ihretwegen in Bewegung“, heißt es in der Bibel. Einige erinnern sich noch an Noomi, bevor sie das Land verließ. Was sie wohl getuschelt haben? Haben sie Verständnis dafür, dass sie seinerzeit mit ihrem Mann und den Kindern der Heimat den Rücken gekehrt hat? Und was denken sie über Ruth, die junge hübsche Ausländerin an ihrer Seite? Davon verrät die Bibel nichts. Ein schwerer Weg liegt bereits hinter beiden Flüchtlingsfrauen und ein ebenso schwerer vor ihnen. Alles wird davon abhängen, wie sehr sie sich selber darum bemühen, von den anderen akzeptiert zu werden und wieviel Verständnis und Menschlichkeit die einheimische Bevölkerung ihnen entgegenbringt. Integration, ein gutes Miteinander kann nur gelingen, wenn beide Seiten ihren Part dazu beitragen.