Wort zum Tage
Etwas Tapferes tun
10.11.2016 05:23

„Tut um Gottes willen etwas Tapferes!“ Diesen Satz hat der schweizerische Reformator Ulrich Zwingli in einem Brief am 16. Juni 1529 an den Rat der Stadt Zürich geschrieben. Es ist der wohl bekannteste Ausspruch dieses Mannes, der 1531 als Feldprediger in der Schlacht bei Kappel fiel.

Ich habe Jugendliche gefragt, was dieses Zwingliwort für sie heute heißt, und bekam bedenkenswerte Antworten. Tapfer sei, wenn nötig, auch gegen den Strom zu schwimmen, durchzuhalten und für seine Überzeugung auch Nachteile in Kauf zu nehmen, schrieb einer. Und ein anderer: Tapfer sei, nach Beleidigungen und Kränkungen das erste Wort zu finden und Worte der Versöhnung zu sprechen, wo zuvor gestritten wurde. Ein Dritter meinte: Tapfer sei, gefasst zu sein beim Verlust eines geliebten Menschen.

 

Die Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin riefen die Christenheit zur Tapferkeit auf und zum Glauben zurückzukehren, wie er in den Evangelien beschrieben und gelebt worden ist. Davon hatte sich die damalige Kirche weit entfernt. War es im 16. Jahrhundert tapfer, für den reformatorischen Glauben vor Kaiser und Papst einzustehen, so ist es für die Kirchen heute tapfer, das Gemeinsame zu suchen und sich miteinander den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Das bedeutet in unserem politischen Klima heute zum Beispiel, die Religion des Islam gegen Vorurteile und Entstellungen in Schutz zu nehmen und Zeichen für den interreligiösen Dialog zu setzen.

 

Jüngst kam ich im Zuge eines Besuches in Polen auch nach Kreisau. Kreisau ist mit dem Namen von James Graf Moltke verbunden und dem „Kreisauer Kreis“, der gegen Hitler und die Herrschaft der Nationalsozialisten Widerstand geleistet hat. Heute ist dieser Ort eine deutsch-polnische Begegnungsstätte. In verschiedenen Ausstellungen wird an Zeugen des Widerstands gegen Hitler erinnert. Unter dem Bild von James Graf Moltke, das ihn im Volksgerichtshof vor Freisler zeigt, fand ich das Wort eines polnischen Autors:

„Geh aufrecht, wo andere knien.“

 

Hier war für mich zusammengefasst, was es heißt, tapfer zu sein: Nicht knien, nicht kapitulieren vor den Mächten und Gewaltigen dieser Welt. Sich nicht ins Private zurückzuziehen und nicht gleichgültig sein, sondern sich der Verantwortung für andere stellen. Aufrecht gehen heißt für mich zum Beispiel an der Seite der Fremden und Flüchtlinge, der Verfolgten und Geschundenen dieser Erde stehen.