„There is nowhere left to go“ – da ist kein Platz mehr, wohin wir noch gehen könnten. Das twittert der Journalist Zouhir al-Shimale Dienstag aus Aleppo. Über Monate haben syrische und russische Luftwaffe den Osten Aleppos sturmreif gebombt, Dienstag ist Aleppo eingenommen. Die Waffenruhe ist schwierig. Gestern konnten erste Zivilisten und Rebellen Ost-Aleppo verlassen, in Richtung der von Regimegegnern kontrollierten Provinz Idlib. Dort bomben syrische und russische Militärs weiter. Es gibt keine Unterkünfte für die Menschen, sie zittern vor Kälte. Sie sind obdachlos, berichtet der Journalist.
Von Deutschland ging Mittwochabend der erste Charter-Flug mit Afghanen von Frankfurt nach Kabul. Seit Monaten hat das Innenministerium auf Sammelabschiebungen gedrängt, ein Signal nach Afghanistan, dass längst nicht alle Flüchtlinge von dort in Deutschland Asyl bekommen. Für Anfang Januar ist die nächste Maschine gechartert. Dazugehören könnte die achtjährige Fatemeh. Im Oktober wurde der Asylantrag der afghanischen Familie abgelehnt. Fatemehs Mitschüler aus der Klasse 3B in Hamburg-Winterhude wehren sich, mit Zuneigung, Mitgefühl und deutlichen Worten. Sie reden in der Klasse nicht mehr über Krieg, weil Fatemeh dann weinen muss. „Fatemeh bleibt hier“ haben sie an die Politiker geschrieben. Mit drei Ausrufezeichen. Die Nato-Mission am Hindukusch gesteht ein, dass große Teile des Landes unter Kontrolle der radikal-islamistischen Taliban steht. Den Rückkehrern drohen Willkür, Folter und Unterdrückung. Die Bundesregierung hat innerhalb des Landes sichere Zonen wie Masar-i-Sharif definiert. Doch dort explodierte ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen, am 10. November, vor dem deutschen Konsulat. Ein sicherer Platz in Fatemehs Heimat ist Theorie.
Beschämend ist die Unterbringung Asylsuchender in Berlin. Dort leben noch immer Tausende in Notunterkünften wie Turnhallen. Und das, obwohl kaum 50km weiter Brandenburg freie Kapazitäten hat. Seit Februar verhandeln Berlin und Brandenburg. Im September wurde beschlossen: knapp 1000 Berliner Flüchtlinge quartiert Brandenburg in Wünsdorf ein. Ganze 59 sind jetzt im Dezember dort untergebracht. Das bundesweit erste länderübergreifende Abkommen zur Unterbringung von Flüchtlingen droht an Detailfragen zu scheitern.
Deutschland, Europa und die Welt scheinen überfordert damit, Platz für Menschen in Not zu schaffen. Oder solche Not gar nicht erst entstehen zu lassen.
Das alles sind keine Nachrichten für die Vorweihnachtszeit. Und Sonntag ist vierter Advent. Adventus Domini – Christen bereiten sich auf die Ankunft ihres Herrn Jesus in der Welt vor. Sie feiern, dass Gottes Sohn in einer Krippe im Viehstall geboren wurde. Bekanntlich hat die heilige Familie keinen Platz in der Herberge gefunden. Mich tröstet, dass Gott da Mensch wurde, wo Menschen leiden. Bis hin ans Kreuz. Deshalb kann ich hoffen, für und mit den Menschen in Aleppo, Syrien, Somalia und vielen anderen Ländern. Deshalb kann ich hoffen mit allen Menschen, die trotz Terror, Krieg, Unterdrückung und Armut eine Flucht noch nicht gewagt haben. Die ihre Heimat lieben, sich fürchten vor Schleppern und unsicheren Wegen. Mehr, als sie sich abschrecken lassen von Abschiebungen, behördlicher Unfähigkeit und lautstarkem Un-Mut. Ich darf hoffen mit denen, die zwangsweise rückgeführt werden und mit denen, die nicht wissen, ob sie bleiben können. Die viel zu oft über viele Jahre hinweg hier bei uns ohne jede Perspektive sind. Die überfordert sind von den Detailfragen und Fallstricken des Asylrechtsverfahrens. Aber Hoffen allein reicht nicht.
Überall in den Kirchen proben jetzt die Kindergottesdienst- und Christenlehrekinder für das Krippenspiel. Die Rolle des Herbergsvaters, der keinen Raum zu vergeben hat, ist dabei nicht begehrt. Ich finde, die Kinder sollten sich weigern in diesem Jahr diese Rolle zu übernehmen. Wie die Kinder der 3B in Hamburg, die sagen: „Fatemeh bleibt hier!“. Dann könnte aus Hoffen Handeln werden und die Weihnachtsgeschichte bleibt nicht bloß ein Krippenspiel.
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