Wort zum Tage
Apfelbaum
25.04.2018 06:20
Sendung zum Nachlesen

Ein Apfelbäumchen wächst in unserem Berliner Gartenprojekt an der Bernauer Straße, auf einem Teil des ehemaligen Todesstreifens. Der Apfel ist eine alte sächsische Sorte, ein "Edler Winterborsdorfer". Der Evangelische Kirchentag hatte letztes Jahr, zum Reformationsgedenken, einen passenden Pflanz-Ort gesucht. Und fand ihn hier auf einem Stück alter Grenz-Brache, wo sich an der Bernauer Straße immer noch Welten trennen – heute an einer Einkommensmauer aus Geld. So wie die nahe Kapelle der Versöhnung ein spiritueller Ort sein will, der Menschen wieder zueinander bringen kann, hat auch der Garten eine Aufgabe: Hier gärtnern wir nicht nur zusammen. Wir erzählen uns dabei auch unsere Geschichten.

 

Nun liegt der Berliner Kirchentag bald ein Jahr zurück, vergangen ist auch das Luther-Jahr. An unserem Apfelbäumchen freuen wir uns immer noch. Uns war sehr feierlich zumute, als es im Herbst immerhin fünf Äpfel trug. Uns bewegte das Luther zugeschriebene Wort von der Hoffnung: dass es sich immer lohnen würde, ein Apfelbäumchen zu pflanzen. Auch, wenn morgen die Welt unterginge.

Dabei ist hier auf diesem Stück Berlin viel untergegangen. Als der nach Deutschland zurückschlagende zweite Weltkrieg unzählige Mietshäuser und Fabriken in Schutt und Asche legte. Und als in der seit Kriegsende geteilten Stadt nur ein paar Jahre später durch den Mauerbau Familien und Freundschaften zerrissen wurden.

 

Weil unser Garten an den Friedhof grenzt und zu den Gräbern hin offen ist, kommen manchmal auch trauernde Angehörige zu uns. Ihre Geschichten handeln von Abschieden. Wenn ein Mensch gestorben ist, geht auch der Teil unserer Welt mit unter, den wir zusammen mit ihm hatten. So fühlen wir es in der ersten Zeit. Und manchmal weit darüber hinaus. Oder ist es anders?

Neue Lebenssichten zu finden, braucht viel Zeit. Inzwischen haben manche der Trauernden sich in unserem Gemeinschaftsgarten auch ein eigenes kleines Beet angelegt. Andere kommen still und staunen, wieviel buntes Leben es geben kann am Rande eines Friedhofes. Jetzt im Frühjahr haben wir wieder die Bänke herausgeholt, und sie um unser Apfelbäumchen gestellt.

 

Ich sehe die Knospen. Das bald blühende Leben. Das biblische Wort für den heutigen Tag zitiert Hiob, im 1. Kapitel, Vers 21. Den Menschen, der alles hatte und alles verlor. "Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen; der Name des Herrn sei gelobt". Damit hielt Hiob trotzdem fest an seiner Hoffnung: Gottes Kraft trägt ihn, und trägt die ganze Welt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.