Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!
Sendung zum Nachlesen
Nach der altkirchlichen Tradition befinden wir uns gerade in der "Weißen Woche". Und erleben heute den 54. Tag nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Auch im Krieg gilt, was zur Tauftradition gehört: "Die Farbe Weiß zu tragen, ist ein Bekenntnis". Mir ging es unter die Haut, als ich die Tausenden Autos gesehen habe auf den Ausfallstraßen von Mariupol. Weiße Tücher und Decken hingen die Fliehenden aus ihren Autos heraus. Weiß - als das Bekenntnis: "Wir sind unbewaffnet. Wir wollen nichts - als überleben". In den Autos waren alte Menschen, Frauen, Kinder. An manchen Fahrzeugen war an der Frontscheibe ein weißes Papier befestigt, darauf stand: "дети" – "Kinder".
Die ganze Welt hat es auf den Luftbildern gesehen, dass dieser Hinweis ein Appell war an die Humanität! Die Aufschrift hat Erbarmen erhofft vor den Bomben: Erbarmen für die Kinder! In riesigen Buchstaben war das Wort in Mariupol aufgeschrieben auf den Boden am Theaterplatz der großen Hafenstadt: "дети" - Kinder. Immer noch ist unklar, wie viele Schutzsuchende unter den Trümmern begraben liegen. Um Fluchtkorridore wurde lange gerungen. Über 5.000 Menschen sind durch die Bombardierungen in der Stadt umgekommen. Über 2.000 konnten in privaten Autos fliehen - auch sie gerieten unter Beschuss. Dass sie entkamen, mit weißen Tüchern am Auto, werden sie ihr Leben lang nicht vergessen. Weiß - als Bekenntnis. Die Farbe der Wehrlosigkeit. Der Hingabe an das Leben.
Das Entrinnen vom Tod, das Vertrauen auf das Leben trotz aller Gefährdung, steht im Hintergrund vom jahrtausendealten Zeichen der Taufe. Christus, der Ermordete und Auferstandene, ist auf alten Darstellungen oft mit einer weißen Fahne und einem roten Kreuz zu sehen. Er wird oft gezeigt als ein Lamm: das Agnus Dei, ausgeliefert und wehrlos, das die Mächte des Todes besiegt. Jedes weiße Tuch an den Autos von Mariupol möge ein Gebet sein, denke ich: jede weiße Fahne mit dem roten Kreuz auf den Ambulanzwagen im Raketenhagel von Kiew und Charkiw möge ein Bekenntnis sein dafür, dass es noch Barmherzigkeit gibt.
Es gilt das gesprochene Wort.