Lange kam Eva im Christentum schlecht weg: Sie sei bloß die Gehilfin des Mannes. Noch dazu habe sie den unschuldigen Adam zum Sündenfall verführt. Diese Geschichte lässt sich mit guten Gründen auch ganz anders lesen.
Sendung nachlesen:
Mit Eva fängt alles an. Sie ist die Mutter aller Lebendigen, ihr Name חַוָּה (Chava / ḥawwāh) bedeutet auf Hebräisch "Leben gebend". Eva ist von Gott als Gegenüber für den Menschen Adam gedacht. "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht", heißt es in der Schöpfungserzählung der Bibel (1. Mose 2,18). Kein Wort von Unterordnung, sondern: Gleichberechtigung.
Eva ist dann diejenige, zu der die Schlange sagt: "Du kannst ruhig vom verbotenen Baum der Erkenntnis essen." Eva isst und gibt auch Adam von der Frucht. (1. Mose 3,6) Und das Übel nimmt seinen Lauf: Adam und Eva bemerken, dass sie nackt sind. Sie schämen sich und verstecken sich vor Gott. Gott stellt sie zur Rede, wirft sie aus dem Paradies und verflucht beide: Von nun an soll die Frau Schmerzen haben bei Schwangerschaft und Geburt. Der Mann soll mühselig seine Arbeit verrichten. Die Erzählung der Vertreibung aus dem Garten Eden wurde zum Schicksalstext für Frauen: Sie wurden als Beteiligte an Strukturen des Bösen angesehen, als Hexen verbrannt, als Eigentum des Mannes degradiert und diskriminiert.
Die Feministische Theologie hat seit den 60er Jahren versucht, das verhängnisvolle Erbe der Eva zu dekonstruieren. Die evangelische Theologin Dorothee Sölle schreibt: "Eva war von der Erschaffung her gedacht nicht das Gefäß der Sünde, zu dem die Kirchenväter sie machten." Als Eva vom Baum der Erkenntnis isst, hat sie nicht länger eine stumme Nebenrolle. Sie agiert. Sie hat einen Wortwechsel mit der Schlange und: "Sie lernt etwas aus diesem Disput, nämlich, dass Menschen nicht durch Erkenntnis sterben."
Eva ist Rebellin und Entdeckerin. Dorothee Sölle meint: "Ohne Eva säßen wir alle noch immer in träumender Unschuld unter den Bäumen." Eva zeigt emanzipatorische Kraft. Wer etwas wagt, gewinnt Freiheit, kann aber auch Fehler machen.
Für Friedrich Schiller war der Sündenfall der glücklichste Moment der Weltgeschichte. Immanuel Kant sah darin den Übergang in einen freien vernünftigen Zustand des Menschen. Eva widersetzt sich der auferlegten Grenze. Dadurch bekommt sie die Kälte und Härte des Lebens außerhalb des Paradieses zu spüren. Es ist ein verfluchter Zustand der Welt. Eva nimmt ihn auf sich – selbstbestimmt und tatkräftig als Mutter aller Lebenden.
Es gilt das gesprochene Wort.
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!