Gemeinfrei via Unsplash/ Helena Lopes
Es gibt Orte, die erfüllen Wünsche, die man vorher gar nicht hatte. Das kann ein Geschäft sein – oder die Kirche.
Die Magie eines Möbelhauses
Finden, was man gar nicht gesucht hat
14.10.2025 06:20

Es gibt Orte, die erfüllen Wünsche, die man vorher gar nicht hatte. Das kann ein Geschäft sein – oder die Kirche.


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Blaue Hose, gelber Pulli. Diese Farb-Kombi würde ich nicht tragen. Und wenn mir jemand so begegnet, muss ich an zwei Dinge denken: an die Flagge der Ukraine – und an die Farben eines schwedischen Möbelhauses.

Ein Möbelhaus unter vielen, und doch hat es einen Sonderstatus. Kaum eine Studierenden-WG, kaum ein Jugendzimmer, in dem sich nicht mindestens ein Regal dieser Marke zum Selberaufbauen findet.

Das erste Mal war ich mit Anfang 20 dort. Ich war zunächst ziemlich verloren. Fremd war mir diese gelb-blaue Welt. Zum Glück war meine Cousine dabei. Sie gab mir meine erste typisch gelbe Einkaufstasche und zeigte mir, wie das hier funktioniert.

Eigentlich wollte ich bloß ein kleines Wandregal. Aber ich kam mit viel mehr raus als geplant. Zum Schluss hatte ich außer dem Regal Geschirr, Pflanzen und Deko gekauft, außerdem Hotdog und schwedische Kötbullar gegessen.  

Eine Welt mit eigenen Regeln. Sie weckt Bedürfnisse, von denen ich vorher nicht wusste, dass ich sie habe. Nach diesem ersten Besuch habe ich gedacht: Vielleicht geht es Menschen ähnlich, wenn sie das erste Mal eine Kirche betreten und einen Gottesdienst erleben. Das ist ebenfalls eine Welt mit eigenen Regeln.

Man nimmt Platz auf einem Möbelstück, das es sonst nirgends gibt – auf einer Kirchenbank. Man hat ein grünes oder rotes dickes Buch in der Hand – ein Gesangbuch. Man hört ein Instrument, das sonst selten vorkommt: eine Orgel.

Wenn diese Welt mit ihren eigenen Regeln gut ist, dann weckt sie Wünsche, von denen man vorher nicht wusste, dass man sie hatte. Den Wunsch nach Sinn hinter den alltäglichen Dingen, die Schönheit von Gemeinschaft, die Erfahrung von heiligen Momenten.

Wenn keine Begleitung da ist, die einen bei der Hand nimmt so wie mich meine Cousine in dem Möbelhaus, dann bleibt es vielleicht eine fremde Welt. Dann findet man nicht, was es zu entdecken gäbe. 

Ich brauche für meinen Glauben andere Menschen, die mir zeigen, wovon ich nicht wusste, dass es das gibt. Es gibt diese Magie: zu finden, was ich vorher nicht gesucht habe. Diese Magie erlebe ich in der Kirche: Menschen, die einander an die Hand nehmen, lieb gewonnene Rituale teilen, einander erzählen, was sie in Krisen trägt und ihnen Hoffnung gibt. Die einander erklären, warum sie gern in die Kirche kommen und was sie mit in ihren Alltag nehmen. Und warum das ein Erlebnis ist, bei dem es nicht um Effizienz geht. Sondern ein Ausflug in eine andere Welt. Zum Schluss gehe ich mit mehr raus, als ich vorher gedacht habe.

Es gilt das gesprochene Wort.

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