Wie reagiere ich, wenn jemand aus meinem Bekanntenkreis Werbung für Rechtsextreme postet?
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Ich habe eine ambivalente Beziehung zu meinem Smartphone. Denn das Ding verdirbt mir regelmäßig die Laune. Gerade freue ich mich noch über die Morgengrüße meiner Oma bei WhatsApp, da sehe den Status einer Bekannten: Sie macht Werbung für eine rechtsextreme Partei. "Kommt alle! Wir holen uns unser Land zurück!"
Und ich fühle mich plötzlich fremd. Mich erschreckt, dass in meinem Bundesland Sachsen-Anhalt laut Umfragen immer mehr Menschen rechtsextrem wählen wollen. Ich kann das kaum fassen.
Ich mag die Menschen in meiner Region. Und da ich ihnen als Pfarrerin nicht nur oberflächlich im Supermarkt über den Weg laufe, weiß ich auch: Wenn die Oma stirbt, sind sie traurig. Und wenn das Enkelchen geboren wurde, dann feiern sie mit den jungen Eltern. Ob sie an Gott glauben oder nicht: Die meisten freut es, wenn ich für sie bete oder sie segne. So ziemlich alle Menschen, denen ich begegne, schätzen Zusammenhalt und ein fürsorgliches Miteinander.
Und ich bekomme das nicht zusammen damit, dass sich laut Umfragen so viele nicht an hetzerischen Parolen stören. Auch nicht meine Bekannte im Status meines Smartphones. Ich habe ein mulmiges Gefühl im Bauch. Angst vor der Zukunft, aber auch Wut arbeiten in mir. Am liebsten würde ich der Person eine gepfefferte Nachricht schreiben. Oder den Kontakt löschen. Beides würde nichts bringen. Das ist mir klar.
Aber was dann? Am Anfang meiner Ausbildung zur Pfarrerin wurde mir ein Bibelvers zugesprochen. In solchen Momenten zwischen Angst und Wut denke ich an ihn. "Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit." (2. Timotheus 1,7)
Ich verstehe das in solchen Momenten wie eine Handlungsanleitung. Zuerst Besonnenheit, das heißt: mich beruhigen. Wut und Angst nicht zur treibenden Kraft werden lassen. Stattdessen mich an die Liebe erinnern, die mich mit anderen verbindet. Die Person vor mir, in diesem Fall meine Bekannte im Smartphone-Status in erster Linie als Mensch wahrnehmen, die ihre Oma oder Enkelkinder im Herzen hat.
Und zuletzt: Nicht den Mut verlieren, sondern die Kraft spüren, die Gott mir gibt, damit ich weiter für das eintreten kann, was ich für wichtig halte. Ich wünsche mir, dass dieser Geist mich erfüllt. Und ich beim nächsten Treffen den Mut habe, meine Bekannte auf ihren Status anzusprechen, nicht geleitet von Wut und Angst. Sondern von Kraft, Liebe und Besonnenheit.
Es gilt das gesprochene Wort.
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