Weiße Karte, schwarzer Rand – eine Kondolenzkarte. Wie drücke ich mein Mitgefühl aus? Geht das überhaupt: mittrauern?
Sendung nachlesen:
Eine große Karte mit schwarzem Rand und darauf soll man was Nettes schreiben. Aber was? Wenn jemand gestorben ist, dann kondoliert man. Das Wort klingt so unangenehm, wie für viele das Gefühl, genau das zu tun: kondolieren. Wörtlich meint das mitempfinden, mitleiden. Nur: Wie geht das? Deine Trauer ist doch deine eigene Trauer. Niemand kennt deinen Schmerz so wie du.
Trotzdem tut es gut, eine Karte, einen Brief zu bekommen oder Blumen. Oder eine Nachbarin kauft für dich ein, stellt einen Topf Suppe vor die Tür. Lauter Zeichen: Ich denk an dich. Ich will euch was Gutes tun besonders jetzt, wo ihr trauert.
Ich finde, das Entscheidende beim Kon-dolieren steckt in der ersten Silbe: Kon – mit. Mit dabei sein, an deiner Seite, in deiner Nähe.
Unsere Gesellschaft blendet Trauer häufig aus. Trauernde Menschen, verwitwet, verwaist, stören, drücken die Stimmung runter. Sie sollen möglichst schnell wieder funktionieren. Das Leben geht weiter.
Das stimmt. Es geht weiter, aber anders, fast immer dunkler, schwerer als vorher.
Als trauernde Person braucht man Zeit, sich zu verorten. Irgendwann verbindet man sich neu mit Raum und Zeit, mit dem eigenen Weiter-Leben. Dabei helfen ganz alltägliche Sachen. Spazierengehen zum Beispiel. Und dabei wahrnehmen: Meine Füße verbinden sich mit dem Weg, der Fuß rollt ab, hebt und senkt sich, Knochen, Sehnen, Muskeln, Faszien – alles miteinander verbunden und – es geht. Ich gehe.
Es gibt so viele Weisen, sich zu verbinden. Auf den Trauerkarten steht oft: In tiefer Verbundenheit. Vorgedruckt, formelhaft. Ich mag das trotzdem. Ich mag mir vorstellen, wie sich Wurzelspitzen unter der Erde berühren, in der Tiefe, ganz zart sich berühren und wichtige Botschaften austauschen, Trauer-Kraft, Trost-Kraft. In tiefer Verbundenheit. An die Auferstehung nach dem Tod glauben hat für mich auch damit zu tun: Wir bleiben verbunden in Gottes Ewigkeit. Ich bin froh, daran zu glauben.
An meinem Schreibtisch habe ich seit ein paar Jahren eine Spule mit einem feinen goldenen Faden liegen. Für mich auch so ein Zeichen der Verbundenheit. Genau die gleiche Goldfaden-Spule habe ich an Freundinnen verschenkt. Oder auch nur einen Faden im Briefumschlag per Post geschickt. Und manchmal lege ich einen an Gräber… Fäden, die verbinden – wie in einem Gedicht von Friedrich Hebbel:
"Und aus seinen Finsternissen
Tritt der Herr, so weit er kann,
Und die Fäden, die zerrissen,
Knüpft er alle wieder an." (Friedrich Hebbel)
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur der Sendung:
1. Die Weihe der Nacht" von Friedrich Hebbel, aus: Ludwig Reimers, Der ewige Brunnen. Ein Hausbuch deutscher Dichtung, Seite 332, Verlag H.C. Beck, München 1959/1997
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!