Als das Christentum noch ganz jung war – und weiblich…
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Paulus ist mit seinen Begleitern auf Missionsreise unterwegs in Kleinasien, der heutigen Türkei, dort wo Asien und Europa in Sichtweite zueinander liegen. In der Nacht erscheint ihm ein Mann von der geografisch anderen Seite. Er bittet Paulus: "Komm herüber nach Makedonien und hilf uns!" Und Paulus bricht auf in den Norden Griechenlands und predigt dort über Jesus und Gottes Liebe, die sogar den Tod überwindet.
In Philippi, einer römischen Kolonie, gehen Paulus und seine Begleiter zum Fluss vors Stadttor. Sie vermuten dort eine Gebetsstätte. Und tatsächlich: Am Fluss betet eine Gruppe Frauen. Eine der von ihnen wird genauer beschrieben: Lydia, eine Purpurhändlerin. Purpur gehört zu den Luxusgütern der Antike, der Handel damit floriert. Lydia ist eine einflussreiche Unternehmerin, wirtschaftlich unabhängig und vermögend, mit eigenem Haus, Dienerinnen und Sklaven. Kein Einzelfall in der hellenistischen Zeit, in der einige Frauen im Handel selbstständig und erfolgreich waren.
Aber Lydia ist auch auf der Suche: nach einem Sinn im Leben über ihre Arbeit hinaus, nach Halt und Gemeinschaft. Sie ist eine "Gottesfürchtige", steht in der Bibel. Das heißt: Sie interessiert sich für den jüdischen Glauben an den einzigen allmächtigen Gott, aber sie ist selbst keine Jüdin.
Lydia hört Paulus zu, wie er von Jesus spricht. Paulus‘ Worte machen etwas mit Lydia: "Gott öffnete ihr das Herz", steht in der Bibel (Apostelgeschichte 16,14). "So war denn der erste europäische Christ … eine Frau", kommentierte der Mainzer Theologe Gustav Stählin in den 60er Jahren.
Lydia lässt sich mitsamt ihrer Hausgemeinschaft taufen. Und sie bittet Paulus und seine Begleiter: "Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da." (Apostelgeschichte 16,15). Paulus und die anderen Apostel zögern. Bisher sind sie auf ihren Reisen ausschließlich von Männern beherbergt worden. Lydia insistiert: Seid meine Gäste!
Es ist diese Entschlossenheit und Gastfreundschaft, mit der Lydia den Grundstein legt für die erste christliche Gemeinde in Europa: in ihrem Haus in Philippi. Lydias Haus wird zum dauerhaften Quartier der Missionare. Hier wird gebetet, Gottesdienst gefeiert, gemeinsam gegessen. Lydia selbst ist, obgleich sie nicht predigt, als Hausherrin die Führungsfigur der neuen Gemeinde. Damit steht in Europa eine mutige, entschlossene, gläubige Frau am Anfang einer neuen revolutionären Bewegung namens Christentum.
Es gilt das gesprochene Wort.
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